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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Hemdtasche steckte. »Und es gibt noch ein anderes Problem mit deiner Hypothese, dass ein Kind den Mord begangen hat.«
    »Und die wäre?«
    »Wir wissen, dass sich der Mörder von Susan White auch an ihrem Radio zu schaffen gemacht hat. Er muss nicht nur über genug Kraft verfügen, um die Rückseite loszureißen, sondern auch, um das Radio von der Wand zu ziehen und es wieder zurückzuschieben.«
    »Du hast es ganz allein geschafft.«
    »Ich hatte jede Menge Zeit«, sagte Custine. »Und es kommt der nicht ganz unbedeutende Umstand dazu, dass ich kein Kind bin. Ich kann nicht genau beurteilen, wie viel Kraft nötig ist, aber ich bezweifle, dass ein kleines Mädchen dazu imstande wäre.«
    »Dann hatte es einen erwachsenen Komplizen.«
    »In diesem Fall«, warf Custine geduldig ein, »können wir genauso gut davon ausgehen, dass dieser Komplize der Mörder war.«
    »Ich glaube trotzdem, dass diese Kinder eine Bedeutung haben.«
    »Floyd, du weißt, dass ich sehr großen Respekt vor dir habe, aber es gibt eine weitere wertvolle Erkenntnis, die ich während meiner Zeit beim Quai gewonnen habe – zu einer Zeit, als die Hauptaufgabe der Polizei noch die Verbrechensbekämpfung und nicht die Schikanierung von Staatsfeinden war. Diese Erkenntnis lautet, dass es bei der Lösung eines Falles stets notwendig ist, gewisse Details zu ignorieren.«
    »Willst du damit sagen, dass ich auf dem Holzweg bin?«
    »Auf dem Holzweg, in einer Sackgasse, vielleicht sogar in der völlig falschen Landschaft.«
    »Ich sträube mich, bestimmte Hinweise von vornherein auszuschließen.«
    »Gut, dann schließe nichts aus. Aber lass dich nicht von idiotischen Theorien in die Irre führen, Floyd. Nicht, wenn wir bereits konkrete Hinweise haben.«
    Floyd seufzte, und für einen Moment wurde es völlig klar in seinem Kopf. Custine hatte natürlich Recht. Gelegentlich legte Floyd die Angewohnheit an den Tag, extrem unwahrscheinliche Hypothesen zu verfolgen. Manchmal – selbst wenn sie nur einem geringfügigen Fall ehelicher Untreue nachgingen – führten sie tatsächlich zum entscheidenden Durchbruch. Meistens jedoch musste er von Custine behutsam daran erinnert werden, sich mit der klassischen Methode zu begnügen, und meistens erwiesen sich Custines beharrliche, bewährte, wissenschaftliche Methoden als genau das, was der Fall erforderte.
    Und dies, so erkannte Floyd, war genau ein solcher Moment.
    »Du hast Recht«, sagte er. »Wenn nur eins dieser seltsamen Kinder aufgetaucht wäre, hätte ich mir überhaupt nichts dabei gedacht.«
    »Der größte Defekt des menschlichen Geistes«, sagte Custine, »ist die bedauernswerte Angewohnheit, Muster zu erkennen, wo es gar keine gibt. Natürlich ist das gleichzeitig seine genialste Fähigkeit.«
    »Und eine, die sehr gefährlich werden kann.«
    Custine stand auf und wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab. »Mach dir deswegen keine Sorgen, Floyd. So etwas passiert den besten Detektiven. Und es kann nie schaden, Fragen zu stellen.«
    Custine sammelte sein Werkzeug ein und nahm Hut und Mantel, dann gingen sie zwei Stockwerke tiefer und klopften an Blanchards Tür. Floyd gab ihm eine bereinigte Zusammenfassung der Ereignisse: Ja, es kam ihm sehr wahrscheinlich vor, dass Susan White ermordet wurde, und es kam ihm sogar sehr wahrscheinlich vor, dass sie etwas ganz anderes als eine unschuldige amerikanische Touristin war.
    »Eine Spionin?«, fragte Blanchard.
    »Für eine definitive Antwort ist es noch zu früh«, erwiderte Floyd. »Es gibt noch ein paar Hinweise, die wir weiterverfolgen müssen. Aber Sie werden von uns hören, sobald wir etwas Konkretes sagen können.«
    »Ich habe mit einem Mieter des Hauses gesprochen. Wie es scheint, haben Sie nach einem kleinen Mädchen gefragt.«
    »Nur um die Möglichkeit zu überprüfen, ob es noch Zeugen gibt«, sagte Floyd.
    »Was könnte ein kleines Mädchen mit dieser Sache zu tun haben?«
    »Wahrscheinlich gar nichts«, warf Custine ein, bevor Floyd in Versuchung geriet, Blanchard seine Hirngespinste darzulegen.
    »Nun gut«, sagte Blanchard und sah die beiden an. »Ich muss noch einmal betonen, wie wichtig es ist, Susans Mörder zu finden. Ich habe das Gefühl, dass sie nicht ruhen wird, bevor die Angelegenheit restlos aufgeklärt ist.«
    Er sagte es, als würde er Susan White meinen, doch er blickte dabei auf das Foto seiner verstorbenen Frau.
     
    Sie fuhren durch den dichten Donnerstagnachmittagverkehr zurück, nahmen die Avenue de Choisy nach Norden

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