Ewigkeit
bedienen, doch die meiste Zeit stand er an der Theke und erzählte ihnen, was es in der Musikszene Neues gab. Wer in und wer out war, wer die neuesten Geheimtipps waren, wer mit wem schlief. Floyd heuchelte höfliches Interesse. Obwohl ihm nicht viel an Tratsch lag, war es gut, einmal an etwas anderes als den Mordfall und seine persönlichen Probleme zu denken. Er bemerkte, dass Custine und Greta immer mehr lachten, was ihm ein gutes Gefühl gab, und schon bald fühlten sich alle wohl, genossen die Musik und Michels Angewohnheit, ständig ihre Gläser nachzufüllen. Um elf kam die Band auf die Bühne und holperte durch ein Dutzend Swing-Stücke, allesamt Big-Band-Arrangements, die auf vier Instrumente zusammengestrichen worden waren. Es war zwar nicht das Schlimmste, was Floyd je gehört hatte, aber es war auch nicht das Beste. Doch das spielte letztlich keine Rolle. Er war mit seinen Freunden zusammen, im Le Perroquet war es gemütlich und verraucht, die Stars schienen wohlwollend von den Fotos an den Wänden auf sie herabzublicken, und für ein paar Stunden war mit der Welt alles in Ordnung.
Skellsgard und Auger liefen gebückt durch einen dunklen, niedrigen Tunnel mit nackten Felswänden und gaben sich alle Mühe, sich dabei nicht zu sehr zu beschmutzen. Sie hatten etwas gegessen und ihrer Garderobe den letzten Schliff verpasst. Augers brandneue Handtasche war mit Stadtplänen und Geld voll gestopft, Letzteres zum Teil gefälscht, zum Teil gestohlen. Sie hatten die Zensorkammer durch eine schwer gepanzerte Metalltür verlassen und waren auf einen Gang getreten, der nach links und rechts führte. Skellsgard hatte eine Taschenlampe dabei, einen silbrigen Stab mit Schiebeschalter, offensichtlich ein Produkt von E2. Nervös leuchtete sie in beide Richtungen des Tunnels, als würde sie mit einer Überraschung rechnen, dann gingen sie nach rechts. Sie hatte Auger erklärt, dass die Arbeiten in der einen Richtung eingestellt worden waren, sobald man auf der anderen Seite des Tunnels zu einem alten Schacht durchgebrochen war, der bei der Errichtung der Métro angelegt worden war.
»Haben Sie diesen Tunnel ganz allein gegraben?«, fragte Auger.
»Größtenteils. Es wurde leichter, als wir den bereits existierenden Schacht erreicht hatten.«
»Trotzdem muss es schweißtreibende Arbeit gewesen sein.«
»Das war es auch, bis wir feststellten, dass wir einen Schlauch durch den Zensor schieben konnten. Auf unserer Seite haben wir einen Kompressor angeschlossen und dann einen einfachen Presslufthammer gebaut, den wir in Einzelteilen hindurchgeschmuggelt haben. Hier haben wir ihn zusammengesetzt und durch den Schlauch mit Druckluft versorgt. Das hat uns etwas geholfen, obwohl der Zensor die unangenehme Angewohnheit hat, hin und wieder seine Ansichten zu ändern.«
»Was ist mit Elektrizität?«
»Der Zensor lässt sie durch«, sagte Skellsgard, »aber wir haben es nie geschafft, etwas zum Funktionieren zu bringen. Nicht einmal eine Lampe bekommen wir hindurch. Das heißt, es wäre zu schwierig, sie in Einzelteile zu zerlegen, die simpel genug sind. Nicht einmal Glühbirnen akzeptiert der Zensor. Schließlich mussten wir eine Gasleitung hindurchlegen, um unsere Lampen zu betreiben, wie in den Kohlebergwerken des neunzehnten Jahrhunderts.«
»Das muss schlimm gewesen sein.«
»Das Einzige, was uns zum Weitermachen animierte, war das Rumpeln der Züge. Daran konnten wir erkennen, dass wir uns der Zivilisation näherten. An keinem der anderen Austrittspunkte sind künstliche Geräusche zu hören. Hier wussten wir zumindest, dass wir nur noch ein paar Meter weitergraben mussten, bevor wir auf den U-Bahn-Tunnel stießen.«
»Muss ich mich jetzt vor heranrasenden Zügen in Acht nehmen?«
»Nur im Notfall. Wir können den Betriebsstrom ausschalten, indem wir die Gleise kurzschließen, aber nur für kurze Zeit. Der Bahnhof ist geschlossen, jetzt fahren keine Züge.«
»Warum? Wie spät ist es?«
»Halb fünf morgens an einem Freitag im Oktober.«
»Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht.«
»Das tut keiner. Also machen Sie sich deswegen keine Sorgen.«
Bald gelangten sie an ein Hindernis im Tunnel, eine fest verschlossene Tür aus Holz, die offensichtlich schon recht betagt war. Skellsgard richtete die Taschenlampe auf eine Stelle neben der Tür, bis sie den versteckten Öffnungshebel gefunden hatte. Sie zog daran und stöhnte unter der Anstrengung. Als es bereits schien, dass sich hier nichts rühren würde,
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