EwigLeid
„Embalmers“, des Einbalsamierers.
Das Opfer hieß Cheryl Anderson und war vor zwei Tagen gefunden worden, allerdings erst nachdem der Mörder der Polizeibehörde von San Francisco per E-Mail mehrere grausige Fotos vom Prozess ihrer Konservierung – bei lebendigem Leibe –geschickt hatte. Außerdem hatte er eine Wegbeschreibung zu dem Lagerhaus an der Mission Street vorgelegt, wo die Cops Andersons Asche und genügend DNA zur Verifizierung ihrer Identität finden würden. Die zuständigen Polizisten hatten den Schauplatz abgewickelt und die Vorgehensweise des Mörders in die Straftäter-Datenbank eingegeben, die allen Strafverfolgungsbehörden Kaliforniens zugänglich war. Es hatte nur wenige Stunden gedauert, bis die Polizei von San Francisco einen Zusammenhang zwischen dem Mord an Anderson und zwei Frauen herstellen konnte, die vor mehr als einem Jahr im Abstand von sechs Monaten in Fresno umgebracht worden waren. Die beiden älteren Fälle waren nicht aufgeklärt worden; die Akten drohten geschlossen zu werden. Wichtig war, dass Einzelheiten über die Morde, wie im Fall Anderson auch, aus den Medien herausgehalten worden waren.
Mit dem Mord an Cheryl Anderson sah es jetzt so aus, als hätte San Francisco einen Serienkiller am Hals. Kein anderer Zuständigkeitsbereich hatte auf ähnliche Weise ausgeführte Morde gemeldet, was bedeutete, dass der Täter sorgfältig vorging. Methodisch. Dass er sich Zeit ließ mit der Auswahl seiner Opfer und alles bis ins kleinste Detail plante, um Erfolg und Freiheit zu gewährleisten, während er gleichzeitig die Polizei mit Hinweisen auf seine Verbrechen herausforderte.
Falls er seiner Routine treu blieb, was bei Serientätern gewöhnlich der Fall war, blieb der Polizei Zeit, ihn zu überführen. Und Carrie war sich ziemlich sicher, dass der Mörder ein Mann war. Zum einen handelte es sich bei Serienkillern fast immer um Männer. Doch die Art, wie er, nach den Fotos zu urteilen, die Gesichter seiner Opfer schminkte, drückte eine gewisse Ungeübtheit aus. Die Resultate erinnerten an ein Kind, das mit den Kosmetika seiner Mutter spielt und mit Farben und Nuancen experimentiert. Für einen Mann mochte diese Einschätzung merkwürdig klingen, doch möglicherweise hätte eine Frau das Make-up wirkungsvoller angewendet, selbst wenn es sich um eine Leiche handelte. Sogar Carrie, die selten Make-up trug und kaum als typisches Mädchen durchging, war mit den Grundlagen des Schminkens vertraut. Die plumpe Art des Embalmers bei der Anwendung von Konturstift und Rouge verriet in ihren Augen den Mann.
Doch sie zögerte, Stevens diese Theorie zu präsentieren. Das würde ihn nur daran erinnern, dass sie eben auch eine Frau war, und genau das wollte sie in Bezug auf ihre Arbeit strikt vermeiden. Leider konnte sie aber nicht sehr viel mehr Hinweise vorlegen. Das hatte nichts mit ihren Fähigkeiten zu tun, sondern zeigte nur, wie wenig die Beweismittel hergaben.
Die Opfer hatten weiter nichts gemeinsam als die Tatsache, dass sie alle Lehrerinnen waren, doch sie unterrichteten an verschiedenen Instituten und in unterschiedlichen Altersgruppen. Johnson hatte in der siebten Klasse Biologie unterrichtet. Steward war Grundschullehrerin. Und Anderson war Dozentin für Englisch am ortsansässigen College gewesen. Klar, das stellte eine Verbindung dar, aber bei Weitem keine massive. Im Gegensatz zu den anderen Opfern hatte Anderson allein gelebt.
In Anbetracht der ihnen vorliegenden Informationen wollte Carrie empfehlen, zunächst einmal Zeugen an Andersons College zu befragen. Mit ihren Studenten zu sprechen. Und die Einrichtung sowie alle, die Zugang hatten, zu überprüfen. Andersons Mörder hatte viel Zeit für sie aufgewendet. Er benötigte Zubehör, Räumlichkeiten und Privatsphäre, um die Konservierung durchzuführen. Dass er einen betriebsamen College-Campus als Hauptquartier auswählte, war unwahrscheinlich, allerdings brauchte Carrie Gewissheit. Danach musste sie andere Möglichkeiten erforschen. Orte in College-Nähe. Eine Leichenhalle? Ein Krankenhaus? Das alles nur unter der Voraussetzung, dass er sich nicht irgendwo in einem Haus einen entsprechenden Raum eingerichtet hatte. Vielleicht war das derGrund für die einjährige Lücke zwischen seinem zweiten und seinem dritten Mord. Er war umgezogen. Hatte seinen Laden irgendwo in San Francisco aufmachen müssen. Das hieß, Carrie musste Unternehmen überprüfen, die Konservierungs-Zubehör vertrieben. Personen ausfindig machen, die
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