Ewiglich die Sehnsucht - Ashton, B: Ewiglich die Sehnsucht
Schmerzen, als wären mir die Eingeweide herausgeschnitten worden.
Ich spähte nach draußen auf den Flur. Das Gedränge hatte nachgelassen, aber nicht genug. Ich wollte nach Hause. Oder wenigstens irgendwohin, wo es ruhig war. Doch ich hatte meinem Dad versprochen, den Schultag bis zum Ende durchzustehen.
Letztes Jahr war ich mitten in einem heftigen Streit mit meinem Dad einfach abgehauen. Ich hatte ihm abscheuliche Sachen an den Kopf geworfen, ehe ich aus dem Haus stürmte und nicht wiederkam. Diesmal war ich entschlossen, es besser zu machen. Ich würde ihn nicht allein in einem Zimmer zurücklassen, in dem noch das Echo der Sätze widerhallte, die ich nie hätte sagen sollen. Es gab nicht vieles, das ich während der Zeit meiner Rückkehr bestimmen konnte, aber ich konnte immerhin darüber entscheiden, wie ich die Menschen verlassen würde, die ich liebte.
Er hatte mich gebeten, die Schule durchzuhalten, also hielt ich sie durch.
Sobald mein Herz wieder regelmäßig schlug, wagte ich mich aus dem Klassenraum und suchte mir einen Schlupfwinkel ganz hinten auf dem dunkelsten Flur im ersten Stock. Ich schob mich in die Ecke zwischen Wasserspender und Backsteinwand.
Die euphorische Vorfreude auf das Footballspiel wehte durch die Flure. Ich konnte sie schmecken.
Ich konzentrierte mich auf die Wand neben dem Wasserspender. Blendete alles andere aus. Die Farbe blätterte ab. An einer Stelle hatte sich ein großes Stück gelöst und hing herunter.
Ich hätte es gern abgerissen, tat es aber nicht. Wenn ich es so ließ, würde es vielleicht irgendwie wieder festwachsen, anstatt schließlich abzufallen.
Letztes Jahr hatte ich die Tage bis zu dem Footballspiel gezählt, das einmal jährlich im Rahmen einer Ehemaligenfeier veranstaltet wurde, hatte sie im Kalender einzeln durchgestrichen. Doch das war ein Jahrhundert her.
Dieses Jahr würde ich mir nicht wünschen, dass die Zeit schnell verging.
Ich starrte auf die abgeblätterte Farbe. Hier würde mich keiner entdecken. Ich hatte mein Plätzchen gefunden.
LETZTES JAHR
Ehemaligenfeier. Fünf Monate vor der Nährung.
Der Countdown lief. Die versammelte Schülerschaft blickte auf die große Uhr an der Anzeige und zählte die letzten dreißig Sekunden im Chor mit. Seit Jahrzehnten traten die Teams der Park City High und der Wasatch High gegeneinander an, und dieses Jahr, mit Jack als Kopf der Offensive, hatten die Park City Miners echte Chancen, zum ersten Mal seit zehn Jahren den »Brocken« nach Hause zu holen.
Der Brocken war ein Stück Granit, das vom Gipfel des nahe gelegenen Mount Olympus stammte und mehr Bedeutung hatte als irgendein Pokal. Einmal hatte Kasey Wellington, der bei den Miners auf der Tight-End-Position spielte, den Brocken gestohlen. Seine Eltern ließen ihn zur Strafe drei Tage im Gefängnis schmoren. Um an den Stein ranzukommen, musste man ihn sich anständig verdienen.
Als es auf der Uhr nur noch zehn Sekunden waren, packte Jules meine Hand. »Wir haben’s geschafft!«, rief sie über den Lärm der skandierenden Menge hinweg. Jacks älterer Bruder Will stand auch neben mir. Er nahm meine andere Hand, ein stolzes Lächeln für seinen kleinen Bruder im Gesicht. Dann hielt er mir seinen silbernen Flachmann hin, den er immer in der Jackentasche hatte, seit er einundzwanzig geworden war.
Ich sah ihn strafend an, woraufhin er nur gutmütig mit den Schultern zuckte, einen Schluck trank und den Flachmann wieder in die Tasche schob.
Ich fragte mich, ob Jacks Mom wusste, wie viel ihr älterer Sohn trank.
Sieben Sekunden. In großen Momenten wie diesem werden alle Sinne schärfer. Ich wusste, der Geruch von frisch gemähtem Gras und feuchter Erde, die Kälte des eisigen Regens auf meiner Haut und der Klang von Jules’ Stimme, die mir ins Ohr schrie, würden sich mir in die Seele eingraben und Teil der unauslöschlichen Dinge werden, die mich ausmachten. Der Stoff, aus dem Erinnerungen sind.
Ich holte Luft.
Drei … zwei … eins . Die Tribüne erbebte, als Hunderte Fans aufsprangen. Ich musste mir die Ohren zuhalten, weil es so laut war. Und dann ging es los. Zusammen mit dem Rest der Schule kletterten Jules und ich auf die Mauer, die die Fans vom Spielfeld trennte. Oben angekommen, schwang ich die Beine hinüber, drehte mich um und wollte mich langsam auf den Rasen hinunterlassen, als zwei starke Hände meine Taille umfassten und mich herunterhoben.
Meine Füße berührten nicht mal den Boden. Mit den Händen an meiner Taille schwenkte Jack
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