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Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Ahlswede
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Philippe.
    Nein, Janis Joplin singt so laut.
    »Ja, natürlich«, stammele ich nur und blicke hilfesuchend an die Regalwand hinter ihm.
    Kein Augenaufschlag, kein verlockendes Lächeln, kein gar nix. Flirtschwäche pur. »Entschuldige. Ich war wohl etwas abwesend. Also, ja, wir können unser Projekt durchaus auch bei einem …«
    In diesem Moment klingelt dieses tolle Smartphone in Philippes Hand, genau genommen ertönt eine sehr klassisch anmutende Melodie, die mir ziemlich bekannt vorkommt. Was war das doch gleich? Meine Bildungslücke in klassischer Musik ist ungefähr genauso groß wie das Problem meiner chronischen »Dysflirtie«.
    Dieser Klingelton ist sicher von Mozart und Konsorten. Wow, Philippe ist also ein Franzose und damit von Natur aus ein begnadeter Liebhaber, der aussieht wie Hugh Grant und dazu auch noch politisch engagiert und kulturell gebildet ist! Dieses Essen ist wirklich eine gute Idee.
    Philippe weist den Anruf ab. »Entschuldige«, sagt er zu mir, jetzt wieder in Französisch. Fast alle unsere Kollegen haben inzwischen das Lehrerzimmer verlassen. »Also, wie es sieht aus mit einem Rendezvous?«
    »Gut! Wann? Und wo?«, frage ich.
    Ups. Das war vielleicht ein bisschen voreilig.
    »Im ›Le Cinq‹, nächsten Samstag, um acht.«
    Auch nicht gerade zögerlich …
    »Hm …«, ich blättere demonstrativ langsam durch meinen an den Wochenenden absolut leeren Lehrerkalender. »Ja, das könnte eventuell gehen.«
    #

17:28
    »Aaaah!« Dieser widerspenstige Stoffschlauch will einfach nicht über meine Hüften rutschen, sosehr ich auch zerre und zupfe. Dabei fehlt gar nicht viel, dann würde …
    »Aaaaaaah!«
    »Mama? Was ist los?« Aufgeschreckt von meinen Verzweiflungsschreien kommt Jule in mein Zimmer gerast. Im Schlepptau hat sie Chloé, die damit auch gleich in den Genuss kommt, mich halbnackt im Ringkampf mit diesem viel zu engen Kleid zu sehen.
    Ich versuche, so würdevoll wie möglich zu lächeln. »Nichts, Julchen. Alles okay. Spielt noch ein bisschen. Chloé wird ja schon bald abgeholt.«
    Die Mädchen ziehen ab, und ich pelle mich wieder aus meinem Benchmark-Kleid, das ich eigentlich zu meinem Date mit Philippe anziehen wollte.
    Nein, Benchmark ist kein Londoner Designer. Leider. Das Wort kommt aus der Finanzwelt, wie mir meine bekanntlich promovierte und sowieso überaus gebildete Schwester mal erklärt hat, und bedeutet so viel wie Maßstab oder Bezugspunkt. Entsprechend ist mein Benchmark-Kleid ein – zugegeben gar nicht so kleines – kleines Schwarzes, in das ich nur zu meinen besten Zeiten passe.
    Das Kleid dient also als Indikator für meine Körperausmaße und ist – so ich denn hineinpasse – ein Garant für »Ich fühle mich toll, supersexy, einfach unwiderstehlich«. Genau richtig für eine Verabredung mit Hugh Grant, auch wenn es sich dabei natürlich ausschließlich und definitiv um ein reines Geschäftsessen handelt.
    Meine Waage habe ich übrigens im allgemeinen Trotz in den Müll befördert, zusammen mit Ralphs Modellflugzeug-Sammlung, die er bis zu meinem Ultimatum nicht aus unserer Wohnung abgeholt hatte. Und ohne Waage hat das Benchmark-Kleid zuletzt noch an Bedeutung gewonnen.
    Nur passt es jetzt leider nicht mehr. Kurz nach der Trennung von Ralph war es mir fast zu groß geworden, doch jetzt geht gar nichts mehr. Ich hatte ja schon seit einiger Zeit befürchtet, dass mein Vorhaben, Französinnen-gleiche Maße zu erlangen, gerade in Frankreich ziemlich gefährdet sein könnte. Und tatsächlich haben die Croissants, Schokokugeln, Zitronentörtchen, Quiches und Croques der vergangenen Wochen deutlich sichtbare Spuren hinterlassen und mich von meinem Ziel noch ein Stück weiter entfernt.
    Deshalb probiere ich gleich mein Wuchtbrummen-Outfit an. Plan B und traditionell meine letzte Rettung: ein Hosenanzug, der eigentlich alles verhüllt bis auf mein zum Glück auch ganz gut gepolstertes Dekolleté. Bisher ging das immer.
    Aber jetzt, nach ein paar Wochen Frankreich, ist plötzlich alles anders: Der Anzug passt zwar, aber so würden Französinnen ja nicht einmal vor die Tür gehen, um die Post aus dem Briefkasten zu holen, geschweige denn, um sich zum Essen ausführen zu lassen.
    Braucht man nicht.
    Ich werde also schon vor der Verabredung mit Philippe in Sachen optischer Entfaltung einiges unternehmen müssen: Fitness-Crashprogramm, Nulldiät, neue Klamotten, Friseur, Maniküre, Pediküre, und, ach ja, Beine epilieren – man weiß ja nie …
    Der Countdown läuft, fünf

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