Ex en Provence
sind uns da vollkommen einig.«
»Seid ihr doch nie.«
Stimmt.
»Jule, hör zu. Mama und Papa haben das so besprochen, und dabei bleibt es auch«, erkläre ich feierlich und tippe diskret eine SMS an den werten Kindsvater:
Untersteh dich, Jule eine DS zu schenken. Anja (18:46, 18. September)
»Jule, du verstehst doch auch schon, dass es gar nicht so toll ist, auf irgendwelchen Knöpfen herumzudrücken.«
»Machst du doch selbst gerade.«
Ich lasse mein Handy in die Hosentasche gleiten.
»Das war eine wichtige Nachricht. Das ist etwas ganz anderes. Und eigentlich ist es doch viel spannender, wenn man selbst etwas Richtiges macht. Zum Beispiel draußen spielt. Oder kickt. Hat Chloé denn auch einen so tollen Tischfußball wie du?«
Fieser Trick, aber erprobt.
»Nö«, grummelt Jule, die wohl zumindest unbewusst meine Strategie durchschaut.
Mein Handy meldet eine SMS – sicher Ralphs Antwort.
»Oh, die Arme!« Ich versuche, so viel echte Trauer wie möglich in meinen Worten mitklingen zu lassen.
Jule hat den Kicker zu ihrem fünften Geburtstag bekommen. In Berlin war er ihr ganzer Stolz. Kein Besuch – egal welchen Alters – konnte unsere Wohnung verlassen, ohne nicht mindestens drei Spiele gegen Jule gemacht zu haben. Und das waren spannende Begegnungen, keine kuscheligen Freundschaftsspiele, denn schließlich ging es um den Jule-Pokal.
Jule hatte aus einer kleinen Plastik-Wasserflasche und einer Kugel aus mindestens einer Rolle Alufolie einen Pokal gebastelt, der nun auf ihrem Regal seiner Verleihung harrte. Konrads Eltern wären begeistert gewesen. Nach den Spielen trug Jule die Ergebnisse gewissenhaft in ihre Tabelle ein.
Ich war grundsätzlich abstiegsgefährdet und Jule ein bisschen wie der 1. FC Bayern München: im entscheidenden Moment praktisch immer an der Tabellenspitze, so dass der Pokal auch entsprechend nie vom Regal verschwand.
Tja, bis zu unserem Umzug. Und der Kicker-Tisch kam als einziges Möbelstück per Spedition nach L’Oublie-en-Provence geliefert. Das musste ich Jule versprechen, sonst wäre sie am Ende wohl wirklich bei ihrem Vater geblieben.
Aber Jule lässt einfach nicht locker: »Krieg ich nun ein Meerschweinchen? Oder wenigstens ’ne DS ?«
»Nein.«
Wir haben fast unsere Haustür erreicht. Ich zücke mein Handy. Tatsächlich, eine Nachricht von Ralph:
Nein, die DS behalte ich selbst. Tolles Ding. Pass gut auf meine Tochter auf. Bin in Eile, Ralph (18:51, 18. September)
»Und warum nich?«
»Die behält Papa selbst.«
Nicht fair, aber wahr.
»Waaaas?«
In diesem Moment blickt Monsieur Croizet aus der Backstube. »Ah! Waren die Damen joggen?«, erkundigt er sich und würgt damit erst einmal die DS -Diskussion ab.
Nein! Ich war nicht joggen, und ich werde heute auch ganz bestimmt nicht mehr joggen gehen. Ich finde meinen Jogginganzug einfach recht gemütlich und habe sowieso gerade nichts anderes anzuziehen! Ist das klar?
»Nein, nein, Monsieur Croizet«, sage ich höflich und versuche dabei, so bezaubernd wie möglich zu lächeln. »Ich habe Jule nur gerade von ihrer Freundin abgeholt.«
In diesem Moment schwebt ein weibliches Etwas an uns vorbei, das aussieht wie aus der Zeitschrift, die ich am Nachmittag auf dem Balkon gelesen habe – statt zu bügeln oder zu joggen. Das Etwas kommt mir bekannt vor, schließlich habe ich sie häufig genug vor Jules Schule gesehen.
Noémi, Chloés Babysitterin! Sie trägt ein hautenges Top, glänzende, ebenfalls eng anliegende Shorts, strahlend weiße Turnschuhe und lächelt uns verheißungsvoll an.
Uns? Nein, eigentlich nicht.
»Bonjour Monsieur«, haucht sie, irgendwie geheimnisvoll, schenkt Monsieur Croizet ein vielversprechendes Lächeln, ignoriert mich und hüpft – einer Gazelle gleich – an uns vorbei.
Monsieur Croizet hat offenbar kurz Mühe, seine Hormone unter Kontrolle zu bekommen, dann wünscht er lautstark viel Spaß beim …
… Joggen.
Bettina, wusstest du, dass Französinnen Jogginganzüge nicht einmal zum Joggen tragen?! In deinem Outfit wärst du hier Aschenputtel. Werde jetzt bügeln. (19:01, 18. September)
8. Kapitel
Gut zwei Wochen später
Montag, 4. Oktober, kurz vor vier
In der »École Polyglotte«
Jetzt muss ich aber dringend los, um Jule abzuholen. Und Chloé. Sie kommt heute nach der Schule mit zu uns zum weltberühmten ›goûter‹. Und am frühen Abend hat Jule noch einen Termin bei der Kinderärztin für ihre schon überfällige Auffrischimpfung.
Eigentlich wollte ich längst
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