Ex en Provence
Tropez. Dein Dorf liegt doch da irgendwie auf dem Weg, oder?«, erkundigt sich Bettina.
»Ja, irgendwie schon. Bettina, ich bin müde. Wir besprechen deine Pläne ein anderes Mal, einverstanden?«
»Gut, aber stell dich nicht mehr so blöd an, Kleines, okay? Mit den Männern, meine ich. Vor allem.«
Mit dieser überaus aufbauenden Ansage meiner Schwester wanke ich schließlich ins Bett – und kann dann natürlich nicht einschlafen.
Ein bisschen autogenes Training wird sicher wirken.
Ich bin ganz ruhig, gelassen, leicht …
…
…
…
… um mich herum ist es ruhig, gaaanz …
Wieder klingelt das Telefon. Ich schrecke hoch und bereue noch in derselben Sekunde, dass ich das Gespräch angenommen habe. Das ist bestimmt schon wieder Bettina.
»Liebes, da bist du ja!«
Nicht Bettina. Noch schlimmer: meine Mutter!
»Janis-Liebling, das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!«
Schön, dass wir uns mal wieder sprechen.
»Da hattest du endlich mal die Aussicht auf einen interessanten, charmanten und dazu noch intelligenten Mann …«
Bettina hat gepetzt.
»… und was machst du? Lässt ihn … krrch … der Tür stehen … krrch.«
Meine Mutter ist zwischen diesem Knistern kaum zu verstehen. Sie klingt ein bisschen wie aus dem Weltraum. Und irgendwie kommt ihr Anruf auch wirklich aus dem All, denn sie meldet sich ja per Satellitentelefon von ihrer Trekking-Tour, wenngleich wohl zum letzten Mal – eine Woche auf den Macchu Picchu mit Luxus-Zelt im Basislager und Sherpa inklusive für nur 3890 Euro.
Ein ganz ordentliches Monatsgehalt für normale Menschen, aber bei meiner Mutter gelten seit ein paar Jahren andere Größenordnungen. Sie war nämlich zwischenzeitlich und sehr kurzfristig mit dem Manager einer internationalen Hotelkette verheiratet, der aber ihren Aktionismus nicht lange durchgehalten und auf ihrer Hochzeitsreise beim Heli-Ski-Fahren einen Herzinfarkt erlitten hat.
Seit aber dieser Hotelmanager namens Ludger das Zeitliche gesegnet hat – in den Armen meiner Mutter mitten auf einer kanadischen Tiefschnee-Piste – hat meine Mutter finanziell ausgesorgt. Jedenfalls hängte sie umgehend ihren Job als Feng-Shui-Beraterin an den für sämtliche Energieströme genau richtig platzierten Nagel. Sozusagen als goldenen Handschlag kassierte sie nämlich Ludgers Erbe und noch bar auf die Hand eine ansehnliche Summe von der Hotelkette. Schließlich hatte sie ja als letzten Auftrag das Büro des inzwischen an ihren doch etwas zu üppig fließenden Energien gestorbenen Managers umgeräumt. So hatten sie sich kennengelernt.
»Das kann doch wirklich nicht wahr sein, Janis«, wettert meine Mutter weiter.
Wie ich dieses »Dschänniss« hasse! Selbst mitten in der Nacht, immer noch von Restalkohol geflutet und ohnehin am Ende meiner Kräfte, löst dieser Name bei mir mittelschwere Übelkeit aus. Oder liegt es gerade am Alkohol? Zusammen mit der Foie Gras, den Pommes, dem Käse, der Mousse au Chocolat, den Smarties …
»Ich heiße Anja« ist alles, was ich hervorbringen kann.
»Ich weiß, ich weiß. Also, Janis, hör gut zu. Dein Umzug nach Frankreich war doch nun endlich mal eine gute Idee. Jetzt reißt du mal die ganzen Mauern in deinem Kopf ein und fängst an, das Leben zu genießen! Stell dich nicht immer so an. Sonst muss ich noch vorbeikommen und ein paar Barrieren in deiner neuen Wohnung … Ich … krrrrrch … ja bald … Europa …«
Eigentlich wollte meine Mutter nach der Macchu-Picchu-Tour noch eine ganze Weile in Peru bleiben. Aber langsam verdichten sich die Hinweise, dass man wohl mit ihrer Rückkehr rechnen muss.
Die Telefonverbindung wird immer schlechter, mir geht es langsam besser. »… krrrch …. Wir brechen hier die Zelte ab und wollen zum Abschluss noch heute auf den … krrrrrr … Einen dicken Kuss für mein Julchen, bis bald, Janis!«
Bei meiner Mutter heiße ich Janis, wie die von ihr so verehrte Janis Joplin. Dabei ist die schon ungefähr so lange tot, wie ich auf der Welt bin. Das muss endlich aufhören. Das nächste Mal werde ich es ihr unmissverständlich erklären, jawohl.
Schließlich habe ich doch schon vor fast sechs Wochen mein neues Leben begonnen!
Alles hat sich geändert.
Ich habe nämlich …
… drei Kilo abgenommen (aber infolge der 12.000 Kalorien von Foie Gras bis Smarties an diesem Abend wohl auf einen Schlag auch gleich vier wieder zugelegt)
… halb verhungert den Willen zum Stilwandel demonstriert (bin dabei allerdings sowohl in der neckischen Boutique
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