Ex en Provence
genannt, weil ich meinen Mittwoch habe.«
»Weil du deinen Mittwoch hast? Ich verstehe nicht ganz …«
»Weil ich am schulfreien Mittwoch nicht arbeite.«
»Das reicht, um als Glucke durchzugehen?«
»Nein, nicht ganz. Nach Dienstschluss am Nachmittag rase ich immer aus dem Hospital, um meine Kinder direkt aus der Schule abzuholen.«
»Was solltest du denn sonst machen? Um halb fünf.«
»Nun, viele Eltern lassen ihre Kinder nach der Schule noch im Hort, bis sie sie später am Abend abholen können, oder sie haben eine ›nounou‹ engagiert.«
»Eine was?«
»Eine ›nourrice‹, eine …«
»Ach: Tagesmutter! Ich weiß, das habe ich schmerzhaft gelernt. Aber ich habe um halb fünf noch nie eine ›nounou‹ vor der Schule gesehen. Oder sollten etwa die ganzen Frauen …«
»Natürlich, bei mindestens der Hälfte von ihnen handelt es sich natürlich nicht um Mütter, sondern um Tagesmütter. Bei ihnen sind die Kleinen nach Schulschluss untergebracht, bis die Eltern von der Arbeit kommen. Es gibt auch Eltern, die schicken ihre Kinder morgens in den Hort oder zur Tagesmutter, dann in die Schule inklusive Essen und Mittagsbetreuung und anschließend wieder Hort oder Tagesmutter. Damit kann man locker zehn bis elf Stunden füllen. Gut, das ist schon ein bisschen extrem. Aber manchmal geht es auch einfach nicht anders, die Leute brauchen eben beide Gehälter.«
Langsam lüftet sich das Geheimnis der berufstätigen Supermütter in Frankreich. Und das Wort Rabenmutter gibt es nicht. Sehr praktisch!
Nathalie unterbricht meine Gedanken: »Eines musst du mir unbedingt noch erzählen: Was hat denn dein Ex zu deinem Entschluss zum Auswandern gesagt?«
»Nicht viel: Ich sei ja sowieso nur für ein paar Monate in Frankreich, und er werde Jule besuchen kommen.«
»Oh, hat er das wirklich vor?«
»Nein, ich glaube kaum. Ich will es jedenfalls nicht hoffen.«
»Und Julie will jetzt wirklich zu ihrem Vater? Oder sagt sie das nur aus Wut, wegen vorhin?«
»Sie vermisst ihn schon, aber sie will nicht länger in Ralphs Liebesnest übersiedeln. Das hatte sie vor unserem Umzug noch zeitweise vor. Und dass es nicht mehr so ist, dazu dürfte mein werter Ex wohl selbst seinen Teil beigetragen haben.«
»Die wollen ihre Ruhe haben, oder?«
»Genau. Aber Jule fühlt sich in ihrem neuen Zuhause inzwischen recht wohl …« Aus Jules Zimmer ist jetzt wieder lautes Gepolter zu hören. »Also, das denke ich zumindest. Vor allem wegen Chloé und wegen unserer Vermieter und ihrer Croissants. Die Bäckersleute verwöhnen uns. Manchmal ein bisschen zu sehr.«
»Meine Großmutter hat in ihrem ganzen Leben nicht mehr als drei Croissants gegessen, weil sie auf ihre Linie geachtet hat. Dagegen bin ich richtig unvernünftig«, kichert Nathalie und nimmt sich wie zur Betonung einen Chip.
Einen ganzen!
»Und mit deinem Umzug nach Frankreich wolltest du es deinem Ex auch ein bisschen zeigen, oder?«, erkundigt sich Nathalie.
»Genau, und ich dachte wirklich, hier könnte ich ganz locker auch als Alleinerziehende meinen Beruf klarkriegen, aber dann kam meine Chefin mit den Abendkursen. Und natürlich bin ich schon vor schlechtem Gewissen umgekommen, weil ich mir für abends jemanden engagieren musste«, sage ich. »Glucke im Endstadium, du verstehst?«
»Interessante Diagnose.«
»Aber demnächst werde ich Jule wohl mit zu meinen Abendkursen nehmen müssen. Und für mein Treffen mit Philippe habe ich noch gar keine Lösung.«
Ups.
»Philippe?«
Zu spät.
»Äh, ja, ein Kollege. Wir bereiten zusammen für die Sprachenschule den Tag der offenen Tür vor. Wir treffen uns das nächste Mal am Samstagabend.«
»Die klassische Zeit für Arbeitsgruppentreffen …« Nathalie grinst.
»Ich weiß, ein etwas seltsamer Termin. Und er findet im ›Sabotage‹ statt. Kennst du das?«
»Im ›Sabotage‹?! So, so! Ja, das kenne ich. Das ist ein sehr angesagtes Kulturzentrum …«
Ach ja?
»… Dort gibt es oft ziemlich spektakuläre Konzerte, also eine gaaanz ruhige Atmosphäre für eine kleine Konferenz unter Kollegen …«
»Oh! Aber für die Verabredung habe ich ja ohnehin keine Betreuung. Deshalb wird sie am Ende wohl sowieso ausfallen. Ich habe gerade unsere Kinderfrau entlassen. Und ich drücke mich ein bisschen darum herum, eine neue Babysitterin zu suchen. Die letzte lebt ja jetzt mit meinem Exmann zusammen und, ach, das ist wohl mein ganz persönliches Trauma.«
»Dann probier doch mal einen Babysitter. Also, einen Mann, meine ich
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