Ex en Provence
H&M-Besuch und ein sicherer Beweis dafür, dass sie beim Körperbau nicht nach mir kommt). Daneben Chloé, die mit ihren fünf Jahren eine so vollendete Eleganz repräsentiert, die ich sicher auch bis 50 nicht mehr schaffen werde.
»Äh, weiß noch nicht, vielleicht …«
»Auf jeden Fall was Leckeres«, erklärt Jule. »Ich habe nämlich Chloé und ihren Papa zum Essen eingeladen.«
»Du hast was?« Ich sehe mich auf dem Schulhof um, kann Eric Leroy aber nicht entdecken.
»Chloé kann, hat sie schon gesagt. Ihr Papa bestimmt auch. Das ist doch okee, oder, Mama?«
Nein!
»Och, nö, Jule, das passt mir aber eigentlich nicht ganz so gut.«
Eric taucht auf dem Schulhof auf und nähert sich seiner Tochter. Die diplomatischen Verwicklungen dieser Jule-Chloé-Freundschaft erreichen gerade eindeutig eine neue Eskalationsstufe.
Eric hat jetzt unsere Hörweite erreicht und bedeutet seiner Tochter lächelnd, dass sie mit ihm nach Hause kommen soll. Chloé schüttelt den Kopf und winkt ihren Vater zu sich, der daraufhin lässig zu uns herübergeschlendert kommt.
»Papa, wir essen bei Julie!«, jubelt Chloé und nimmt ihren Vater in den Arm.
»Ach ja?«, fragt er ungläubig nach.
»Nein, nein, das ist ein kleines Missverständnis«, werfe ich eilig ein. »Jule hatte Chloé eingeladen. Aber ich habe gar nichts vorbereitet für so viele Leute, und …«
… überhaupt!
»Aber Mama, wir sind doch nur vier. Und wir wohnen doch ga nich weit weg. Da können wir doch alle zusammen nach Hause gehen und auf dem Weg schnell noch was einkaufen«, schlägt Jule vor.
»Nein.«
»Oder wir machen einfach eine Tüte Chips auf.«
Niemals!
»Nein, Julchen.«
»Das machen wir doch imma so«
»Jule! Das stimmt doch gar nicht!«
Eric grinst. Er versteht bestimmt alles, obwohl Jule natürlich Deutsch mit mir spricht. Aber die Tendenz dieser Diskussion ist wohl relativ leicht zu erkennen, zumal Jule Chloé nicht loslässt und gleichzeitig an mir herumzerrt.
»Dohoch. Und Chips sind ja auch viel leckerer als irgendson blödes Brot mit Käse …«
»Nein.«
»Dann eben Nudeln mit Soße.«
»Nein.«
»Oh, Mama. Du bist ächt doof!!!«
Eric zieht jetzt Chloé von Jule weg, legt den Arm um seine Tochter, erklärt ihr irgendetwas Unverständliches und sicher nicht sehr Schmeichelhaftes über mich und dirigiert sie dann Richtung Parkplatz.
»Bon appetit«, ruft er mir noch zu, und ich meine, ein amüsiertes Lächeln um seine Mundwinkel entdeckt zu haben.
»Komm, Jule, wir gehen jetzt nach Hause.«
Aber Jule streikt. Und zwar gründlich. Sie schiebt ihre Unterlippe nach vorn und legt ihre Stirn in tiefe Zornesfalten, hält die Arme fest vor ihrem Bauch verschlungen und dreht mir jetzt den Rücken zu.
»Nein!«, erklärt sie wütend.
»Geht’s?«, erkundigt sich in diesem Moment Nathalie Dupont und deutet mit mütterkonspirativem Blick auf Jule. Meine neue Bekanntschaft vom Elternabend hat eben nur ein paar Meter weiter gestanden und sich mit anderen Eltern unterhalten.
»Geht so«, murmele ich und zucke etwas hilflos mit den Schultern. »Jule wollte …«, setze ich an, um den Konflikt diskret anzudeuten. Doch Nathalie fällt mir ins Wort.
»Ehrlich gesagt, habe ich ein bisschen mitbekommen, was los ist«, sagt sie erst auf Französisch, um dann auf Deutsch hinzuzufügen: »Natürlich wollte ich nicht lauschen, aber ich spreche ein bisschen Deutsch, die Sprache fasziniert mich.«
Unvermittelt muss ich an Philippe denken, aber Nathalies Aussprache ist um Klassen besser.
»Sie sprechen aber wirklich sehr gut Deutsch. Wo haben Sie das denn gelernt?«
»Wir können uns auch gern duzen …«
Das geht jetzt aber schnell. Unnahbare Franzosen, pah!
»… Ich heiße Nathalie, aber das weißt du ja schon. Also, ich war als Austauschschülerin mehrmals ein paar Wochen in Deutschland, im Norden, da, wo das höchste Hochdeutsch gesprochen wird, oder wie sagt man? Wo kommst du her?«
»Aus Berlin.«
»Oh, die Hauptstadt. Sehr angesagt, da gibt es doch diese …«
Erst ein bisschen langsam, aber dafür praktisch akzentfrei auf Deutsch und dann ohne Unterlass wieder auf Französisch plaudert Nathalie auf mich ein. Nach ein paar Minuten meine ich, dass sie nicht nur aussieht wie meine Grundschulfreundin, sie ist auch ein bisschen so. Schon lange habe ich mich nicht mehr so schnell so gut mit jemandem verstanden – auch wenn ich nicht alles im Detail verstehe. Ich könnte ihr noch stundenlang zuhören, aber inzwischen stehen wir mit
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