Ex en Provence
hab’s! Schürzenzipfel. Nein, doch nicht. Rock…«
» Schürzenjäger , meinst du?!« Ich muss schmunzeln, eine Wohltat nach Jules Auftritt.
»Ja, genau!« Nathalie lacht mit. »Siehst du, jetzt geht es dir schon besser. Was macht eigentlich das Bier?«
»Huch, noch eine Minute, und das Bier wird im Eisfach platzen.« Schnell hole ich die Flaschen, schenke ein, frage Jule durch die verschlossene Tür noch einmal, ob sie nicht doch ein bisschen Cola möchte, bekomme eine weitere Abfuhr und stoße dann mit Nathalie an.
»Auf die Klassenfahrt!«, sagt sie lächelnd. »Toll, dass du mitfährst.«
»Ja, mache ich gern. Bin mal gespannt, wie das wird. Ich fand den Elternabend übrigens ziemlich ermüdend. Ist das immer so?«
»Ja, ganz normal. Aber was ist denn mit dem Vater von Chloé?«
»Nichts ist mit dem Vater von Chloé, wenn er nur nicht der Vater von Chloé wäre. Jule würde am liebsten die ganze Familie adoptieren, weil sie Chloé so toll findet. Aber meiner Meinung nach ist dieser Vater ein, ein, ein …«
»… ein merkwürdiger Mensch. Das stimmt. Sehr verschlossen. Alex ist ja schon seit zwei Jahren mit Chloé in einer Klasse. Eigentlich wird keiner aus ihrem Vater schlau.«
Aber keiner hat so viel mit ihm zu tun wie ich!
»Sag mal«, Nathalie nippt ein bisschen an ihrem Bierglas, das aber immer noch doppelt so voll ist wie meins. »Ein ganz anderes Thema: Wie hast du dich eigentlich zum Umzug nach Frankreich entschieden? Das ist ja schon ein bedeutender Schritt.«
Ich nehme einen großen Schluck und erzähle Nathalie in groben Zügen von Ralph, Alina, den Gummibärchen, den SMS und dem ganzen Schlamassel, der darauf folgte.
»Oje«, sagt Nathalie. »Das ist ja der Klassiker. Nur in verschärfter Form. Das tut mir wirklich leid. Die Midlife-Crisis ist mir bei Camilles Vater zum Glück erspart geblieben. Da war er schon längst über alle Berge. Und Jonathan ist wohl noch nicht alt genug. Ich kann mich eigentlich nicht beschweren: Er kümmert sich wirklich auch super um Camille, nicht nur um unsere gemeinsamen Kinder.«
»Wie viele Kinder hast du denn?«
»Drei …«
Wow. Ich dachte, du wärst gerade mal 30.
»Zuerst Camille, und dann mit Jonathan zusammen Alex und Lucille. Jonathan ist für alle drei ein wunderbarer Vater. Das rechne ich ihm sehr hoch an. Wie ist denn dein Verhältnis zu Julies Vater?«
»Na ja, als ich noch in Berlin war, also kurz nach unserer Trennung, haben wir Jule zuliebe versucht, einen guten Kontakt zu haben. Und Ralph kümmerte sich tatsächlich um Jule, allerdings am liebsten und vor allem vor Publikum. Er war der Sonnyboy, ich die Heulsuse – so ging es ein paar Wochen lang. Aber wenn ich ihn mal ohne tosenden Beifall für den Vorbild-Exmann brauchte, war er mit Sicherheit nicht da.«
»Wie ärgerlich, obwohl ja viele Männer schon nicht für die Kinder da sind, wenn man noch zusammen ist. Da habe ich ja zur Abwechslung mal Glück.« Nathalie nimmt wieder einen Schluck von ihrem Bier. Es scheint aber trotzdem nicht weniger zu werden. Auch die erste Tüte Chips habe ich gleich alleine aufgegessen.
»Jedenfalls wollte ich Ralph wohl auch zeigen, dass ich sehr gut ohne ihn klarkomme. Und dann entdeckte ich diese Anzeige: ›Ein Jahr als Deutschlehrerin nach Frankreich‹. Wenn das nicht wie gerufen kam?!«
Nathalie sieht mich verständnislos an: »Wieso?«
»Frankreich – ist doch klar: Das ist doch das Land der Supermütter: elegant, schlank, immer charmant und auf dem Sprung in ein schickes Büro mit mindestens einem spannenden Job und wahrscheinlich auch zwei bis drei aufregenden Liebhabern. Das wollte ich auch!«
»Äh, also …«
»Na ja, das ist ja auch nur so eine Vorstellung.«
»Klar. Das Krankenhaus, in dem ich arbeite, ist nach klassischen Standards jedenfalls nicht wirklich schick. Und unser Schwesternzimmer kann man eigentlich auch nicht als Büro bezeichnen. Aber ich glaube, ich verstehe, was du meinst …«
Und das Thema Liebhaber?
Doch Nathalie fährt fort: »… Immerhin arbeiten hier praktisch alle Frauen, es gibt keine – wie sagt ihr in Deutschland? – Rabenmütter.«
»Ja, so sagt man. Leider.«
»Bei uns gibt es so etwas nicht. Wir haben nicht einmal ein Wort dafür.«
»Ja, davon hatte ich schon gehört. Ein Hoch auf die französische Sprache.« Wir stoßen an, und Nathalies Bier schwappt gefährlich in Richtung Glasrand.
»Dafür haben wir die ›mère-poule‹, eine … Glucke! Ich werde von meinen Kolleginnen oft so
Weitere Kostenlose Bücher