Ex en Provence
einander? Ich bin wolkig. Dein Romeo.«
»Wolkig?«, fragt Bettina irritiert.
»Er meinte wohl betrübt. Das ist doch entzückend, oder?«
»Ja, irgendwie schon. Aber hat er dir denn keinen anderen Termin für eine Paris-Reise vorgeschlagen?«
Volltreffer, Schwester.
»Nein. Vielleicht ist das zu banal für einen Romeo?«
»Hm.«
»Dafür kam die nächste rote Rose. Dann wieder eine SMS , wieder eine rote Rose … eine Woche lang ging es so: Täglich eine SMS und eine rote Rose.«
»Aber er rief nicht an, stimmt’s?«, bohrt Bettina nach.
»Ja, stimmt. Und als ich es dann doch mal probierte, war auf der Mailbox Sendepause.«
»Seltsam.«
»Geheimnisvoll, oder? Ist doch aber auch spannend!«
Bei Bettina im Hintergrund höre ich jetzt Tastaturgeklapper. »Was machst du denn da? Hörst du mir gar nicht zu?«
»Doch, doch! Erzähl weiter!«
»Auf jeden Fall war Philippe nicht zu erreichen. Meine Stimmung hat sich wirklich verfinstert und irgendwann den Schlechte-Laune-Stand der Dame vom Fleurop-Geschäft erreicht. Sie wurde nämlich mit jedem Tag ein kleines bisschen unfreundlicher, wenn sie mir die elegant verpackte Blume mit einer kleinen Karte daran in die Hand drückte.«
»Wieso das denn?«
»Sie musste immer extra aus dem zehn Kilometer entfernten, etwas größeren Nachbardorf nach L’Oublie kommen. Dabei hatte sie in den Ferien wohl auf ein paar ruhige Tage gehofft, ihren Laden aber nicht geschlossen.«
»Tja, selbst schuld.«
»Genau. Sogar die Croizets, meine Vermieter, sind zu ihren Verwandten nach Nordfrankreich gefahren und haben die Bäckerei eine Woche zugemacht.«
»Keine Croissants für dich, Dick…«
»Bettina! Du solltest mich mal sehen. So eine französische Magen-Darm-Grippe macht ungemein schlank.«
»Hm. Das glaube ich nicht!«
»Dann komm doch einfach vorbei. Du wolltest doch sowieso mit Oli… ups.«
»Wenn du diesen Namen noch einmal erwähnst, komme ich trotzdem!«
»Klingt wie eine Drohung.«
»Ist es auch. Was hat dein Philippe denn in diesen SMS geschrieben?«
»Große Zukunftsmusik. Warte mal, eine habe ich hier noch.«
»Eine? Du hast sie doch alle im Dauerspeicher, oder?«
Stimmt.
»Nö. Aber eine ist zufällig noch da:
Anja, mit dir ich möchte verbringen das Rest meine Leben. Lass uns in den Süden gehen, ans Meer.«
»Wow!«
»Ach, weißt du, ich nehme das eigentlich nicht ganz so ernst …«
… In meiner Fantasie haben Philippe und ich nur längst ein wunderhübsch restauriertes Haus direkt an der Küste gekauft, schlendern Hand in Hand am Stand entlang und leben von der Meeresluft und – natürlich – der Liebe. Aber irgendwie …
»… irgendwie weiß ich inzwischen gar nicht mehr so recht, was ich von dieser SMS - und Rosen-Salve halten soll.«
»Ich ehrlich gesagt auch nicht, Schwesterherz. Dein Romeo könnte ja jetzt auch einfach bei dir statt auf irgendeiner Piste sein! Oder die Paris-Reise verschieben statt dir das Blaue vom Cote-d’Azur-Himmel zu versprechen!«
»Du hast Recht. Wie – fast – immer, Schwesterherz.«
Leider.
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Am Abend
Welch ein Glück, dass ich in Frankreich bin! Dieses Land ist einfach wunderbar. Vor allem beim Stadtbummel. Jule und ich sind den ganzen Nachmittag durch die engen Gassen der Altstadt geschlendert und haben in einer netten, kleinen Bar Pause gemacht. Für mich gab es einen »Café crème« und für Jule das Kinder-Nationalgetränk »sirop à la menthe« – Pfefferminz-Sirup mit Wasser oder auch Flüssigkaugummi in E-142-grün. Hat Jule natürlich bei Chloé kennengelernt.
Mit unserer Bestellung haben wir wohl die französischen Erwartungen erfüllt und wurden vom Kellner mit einer schnellen und freundlichen Bedienung belohnt. Schließlich sind wir ja auch längst keine unerfahrenen Touristen mehr, die mit »Café au lait« und Apfelschorle für Chaos sorgen. Apfelschorle gibt es in dieser Form überhaupt höchst selten, und »Café au lait« hat mit den deutschen Erwartungen an einen Milchkaffee so viel zu tun wie Magermilchjoghurt mit Tiramisu.
Aber bei diesem oberleckeren »Crème« konnte ich die Ferien noch einmal Revue passieren lassen, die jetzt wider Erwarten doch langsam zu Ende gehen. Für Jule waren sie eine echte Bewährungsprobe, denn zu ihrem großen Unglück ist auch Chloé verreist. Und zwar zum Familienhauptsitz der Leroys, dem Schloss mit den Einhörnern im Park, wie Jule behauptet.
Jule dürfte in ihren Tagträumen also längst eine WG in Chloés Dornröschenschloss bezogen
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