Ex en Provence
mit Eric, Jules Lehrerin und 24 begeisterten Kindern im absoluten Matsch verbracht. Im Morast eines Ackers, im Sumpf einer gut durchgeregneten und vollgesch … en Schaf-und Ziegenweide und nicht zuletzt im Dreck des Kuhstalls. Ein radikales Kontrastprogramm zum Asphaltschulhof.
Die meisten Mädchen waren erwartungsgemäß begeistert von den kleinen Schafen und der Hofkatze, aber viele Jungs vermissten auf diesem Mini-Hof natürlich Traktoren, Mähdrescher und andere Ungetüme.
Viele Jungs?
Na, eigentlich gibt es nicht wirklich viele Jungs in Jules Klasse. Sie besteht genau genommen aus 16 Mädchen und acht Jungs.
Das ist doof für die Jungs, was mir allerdings ziemlich egal ist. Das ist aber auch doof für mich ganz persönlich, wie ich in genau diesem Moment feststelle.
»Madame Quiche, wenn Sie so freundlich sein wollen, die Mädchen zu duschen?«, hat die Lehrerin gerade gesagt und sich zu einer wichtigen Besprechung mit den zu Animateuren gewandelten Ex-Bauern verabschiedet. »Monsieur Leroy übernimmt dann wohl die Jungen«, ruft sie uns noch im Gehen zu.
»Aber gern«, gibt Eric freudig zurück und lächelt mich an, irgendwie triumphierend.
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Eine knappe Stunde später
Eric steckt seine große Nase in den Mädchen-Duschraum.
»Raaaaauuuuus«, keift eine mir unbekannte Schönheit im zarten Alter von fünfeinhalb, wenngleich längst wieder vollständig bekleidet. »Das hier ist nur für Mädchen!«
Jule rollt demonstrativ mit den Augen. »Das ist Coralie, die ist voll doof. Hab ich schon imma gesagt«, raunt sie mir zu.
Eric lässt sich von dieser Coralie nicht sonderlich beeindrucken. »Immer noch nicht fertig?«, fragt er mich in einem leicht vorwurfsvollen Tonfall. »Also, wir Männer haben das Ganze schon längst erledigt«, fügt er hinzu, während ich ausgerechnet seiner Chloé die Lockenpracht föne.
»Monsieur Leroy! Wenn Sie vielleicht so freundlich wären, mir …«
»Ich dachte, wir wären beim Du?«
»Ist jetzt egal, helfen Sie mir gefälligst beim Fönen von 16 Mädchen!«, brülle ich gegen den Lärm an.
»Ich finde Fönen überflüssig.«
Das sieht man.
»Das sagt Papa immer«, erklärt Chloé beiläufig und so, dass wohl nur ich es hören kann. »Aber dann föhnt mir Noémi die Haare.«
Ah, Miss France. Natürlich.
»Die macht das ganz toll.«
Heißt das, ich habe gerade versagt?
»Jetzt beeilt euch, Mädels, gleich gibt es Essen«, ruft Eric.
Mädels? Ich bin 40! Etwas mehr Respekt, bitte.
»Monsieur Leroy! Es ist November, ziemlich kalt, und wir haben die Verantwortung für diese Kinder.«
»Ich habe vor allem Hunger, aber wenn du unbedingt willst, Anna.«
»Anja!«
»Wie bitte? Ich verstehe nichts, der Fön ist so laut.«
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Kurz vor Mitternacht
Ruhe. Endlich herrscht Ruhe in den beiden Schlafräumen, und ich sitze mit Jules Lehrerin, Eric und unseren Gastgebern in deren Wohnküche. Ich schreibe Nathalie eine SMS . Sie wird sich bestimmt freuen zu erfahren, dass alles in Ordnung ist und dass auch ihr Alex inzwischen selig schlummert.
»Was machen Sie denn da?«, erkundigt sich der Bauer.
Spiegelei braten.
»Eine SMS schreiben«, erkläre ich geduldig. »Das sind kurze Textnachrichten, die über das Mobiltelefon übertragen werden.«
»Nein, werden sie nicht.«
»Doch, durchaus.«
»Nein, hier nicht. Kein Netz«, erklärt er trocken.
»Kein Netz«, bestätigt jetzt auch das Display meines Handys.
Es gibt sie also tatsächlich, die Funklöcher in den Bergen. Ich muss an Philippe denken, der bei seiner Skitour mit seinen Kumpels nicht zu erreichen war. Vielleicht war er wirklich in einem Funkloch. Vielleicht war ich wirklich zu misstrauisch! Und warum sollte er auch nicht mit seinen Freunden in Urlaub fahren? Ich habe es mit meiner deutschen Sturheit gründlich vermasselt. Und Bettina hat wahrscheinlich Recht: Ich habe einfach kein Händchen für den Umgang mit Männern.
Trotzdem: Statt in der absoluten Einöde mit einem Waldschrat, einem unverschämten Rüpel und acht fünfjährigen Jungs als einzige Vertreter der Y-Chromosom-Fraktion könnte ich jetzt mit Philippe in Paris sein. Nach einem wunderbaren Konzert vielleicht noch in einer edlen Bar ein Gläschen Champagner schlürfen, dann …
»Hier, für Sie«, sagt der Bauer und stellt ein Wasserglas vor mich auf den Tisch. Beim Inhalt dürfte es sich aber nicht um Wasser, sondern um Schnaps handeln. Der Bauer hat nämlich gerade eine Flasche entkorkt, auf der kein Etikett klebt. Wahrscheinlich ist der Fusel
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