EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung
»Entschuldigen Sie.« Er deutete an ihr vorbei auf den Gang.
Erleichtert atmete Isler auf, als der Airbus in Boston Logan landete. Der Laberterror ging allerdings noch bis zur Gepäckausgabe weiter. Sie hatte ihm alle uninteressanten Momente ihres Lebens erzählt. Er bedauerte zwar, dass sich ihr Mann vor einigen Jahren das Leben genommen hatte, konnte ihn aber gut verstehen. Isler achtete darauf, sich in der Warteschlange vor dem Einreiseschalter so einzuordnen, dass er sie nicht mehr hören konnte.
»Next!« Ein dicker Mann in Uniform winkte ihn mit dem Charme eines Gefängniswärters zu einem leeren Schalter, als er vorne in der Kolonne angekommen war.
»Hello«, lächelte Isler die Beamtin hinter dem Schalter an und legte seinen Pass auf den Tresen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
Schweigend griff sie nach dem Pass und blätterte. Sie blickte sein Gesicht auf dem Bildschirm vor ihr an und machte ein Foto. Nachdem sein Fingerabdruck elektronisch abgenommen worden war begann die Fragerei. Wieso reisen Sie in die USA? Was ist Ihr Geburtsdatum? Wann haben Sie das Visum bekommen? Wann waren Sie das letzte Mal in den USA?
Isler beantwortet alle Fragen korrekt. Seine Vorbereitung machte sich bezahlt. Dass trotzdem etwas nicht stimmte, wurde ihm klar, als plötzlich zwei Beamte der Einreisebehörde neben ihm standen. »Please follow us, Mister. We need to talk.«
Am Nachmittag texanischer Zeit präsentierte die TFP einer neugierigen Öffentlichkeit Osmans Nachfolger für das Amt des Gouverneurs. Andrew Clark. Spross einer texanischen Unternehmerfamilie, einundfünfzig Jahre alt, verheiratet, drei Kinder, Nichtraucher, Nichttrinker, Lebenslauf ohne die kleinste Schwachstelle, hochgewachsen, sportlich, jugendliches Gesicht mit markantem Kinn, strahlend blaue Augen, graumelierte Haare, Studium der Rechtswissenschaften an einer amerikanischen Elite-Universität, erfolgreich als Wirtschaftsanwalt mit eigener Kanzlei in Houston, bisher ohne jede Berührung mit der politischen Szene – gro ß er Vorteil! –, hochintelligent, rhetorisch gewandt. Clark war die personifizierte Antithese zu seinem Vorgänger Osman. Die aus dem Hauptquartier der TFP in Houston von allen großen Sendern live übertragene Show ließ Sezessionisten das Herz höher schlagen und jagte Unionisten den Schreck ihres Lebens ein. Mit dem Geld von Osman in der Parteikasse und Clark als neuer Nummer Eins wurde die TFP von einer unangenehmen Erscheinung zur tödlichen Bedrohung für die Union.
Siegesgewiss lächelte Clark, als er mit seiner Familie im Schlepptau auf die Bühne trat. Ein riesiges Freedom for Texas – Clark for President prangte vor Dutzenden von Texas-Sternen in der Kulisse. Seitlich ein Schwarz-Weiß-Foto von Vince Osman auf einer Staffelei. Fünf Personenschützer, darunter zwei Frauen, alle in den obligaten dunkelblauen Anzügen, standen vor der Bühne und blickten in die Reihen der Journalisten. Nachdem die letzten Töne der Texas-Hymne – Texas, Our Texas – verklungen waren, schritt Clark zum Mikrofon. Seine erste Rede machte ihn von Andrew Who? zu einer texanischen Persönlichkeit. »Meine Damen und Herren, vielen Dank, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Die Zeit stand still an jenem Dienstag, dem 27. September 2016, als wir Vince Osman blutend auf dem Boden liegen sahen, niedergestreckt von Kugeln aus den Arsenalen der Washingtoner Geheimdienste. Die Zeit stand still und die Welt schien zusammenzubrechen. Für einen Moment glaubten wir, dass die Unabhängigkeit, nach der Texas schon so lange strebt, wieder in weite Ferne gerückt sei. Doch die Menschen dieses wunderschönen Landes haben anders entschieden. Sie weigerten sich aufzugeben. »Jetzt erst recht!«, riefen sie Richtung Washington, »Freiheit!« Und sie waren fest entschlossen, allen, die gegen die Freiheit der Texaner sind, eine Lektion zu erteilen. Diese Lektion lautet«, er machte eine Pause. » Don’t mess with Texas! Don’t you ever again mess with Texas! Mit einer klaren Strategie im Kopf und Wut im Bauch machen wir uns jetzt daran, in den verbleibenden vier Wochen bis zur Wahl, die als die wichtigste in die Geschichte von Texas eingehen wird, für unsere Freiheit zu kämpfen. Denn Freiheit heißt überleben! Und Texas wird nicht nur überleben. Texas wird die neue City on a hill , der neue Leuchtturm der Freiheit, das neue Licht der Hoffnung auf dem nordamerikanischen Kontinent. Wir werden die Tyrannei abschütteln und
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