EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung
haben. Noch drei Meter. »Was?!«, flüsterte Isler aufgeregt.
»Und ›SC sechzehn‹. Irgendwas in Texas. Vielleicht im September. Aber ich kann mich auch täuschen. Du hast es nicht von mir. Es ist sehr gefährlich. Ein Agent der STOG ist letzte Woche plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben. Er war vierunddreißig und topfit. Also, David, kein Wort von mir.«
Nur noch zwei Gläubige standen zwischen Isler und dem Pfarrer.
»Können wir uns an einem anderen Ort treffen?«, fragte Isler.
»Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. Es ist gefährlich«, wiederholte Ciampi flüsternd.
»Der Leib Christi!« Der Pfarrer legte Isler eine Hostie auf die Handfläche.
»Amen«, antwortete Isler und nahm die Hostie in den Mund. Nachdem er zur Seite getreten war, drehte er sich um. Es war ihm ein Bedürfnis, Ciampi in die Augen zu blicken. Doch er sah nur noch seinen schwarzen Haarschopf, der sich schnell an den anderen Kirchgängern von Isler wegbewegte. Der Pfarrer blickte ihm verdutzt nach. Sekunden später war Ciampi hinter den Pfeilern im linken Nebenschiff verschwunden. Isler eilte auf der anderen Seite der Kirche nach hinten. Als er erst auf halbem Weg zum Ausgang war, sah er, wie Ciampi durch das Tor nach draußen hastete. Isler rannte ihm hinterher, so schnell er konnte. Die Treppen vor der Kirche hinunter, dann links über den abschüssigen Weg Richtung Autoparkplatz. Der Abstand zu Ciampi vergrößerte sich weiter. Isler atmete schwer und fluchte über seine schlechte Kondition. Auf einer vereisten Fläche rutschte er aus und landete unsanft auf dem Rücken. Als er keuchend wieder aufstand, die Verfolgung fortsetzte und endlich den Parkplatz erreichte, sah er Ciampi nur noch in einem Auto mit Luxemburger Kennzeichen davonbrausen. »Verdammt!« Er stützte die Arme auf die Oberschenkel und wartete, bis sich sein Puls wieder beruhigt hatte. Dann klopfte er den Schnee von Hose und Jacke und ging zurück in die Kirche, wo er sich in die hinterste Reihe setzte. Er zog seine Agenda und einen Kugelschreiber aus der Innentasche und notierte. STOG – Maître – Ende USA – SC 16 – Texas – vielleicht September – junger STOG-Agent letzte Woche ›Herzinfarkt‹ . Er schrieb nicht auf, mit wem er gerade gesprochen hatte.
Nach der Messe spazierte Isler eine halbe Stunde durch die tief verschneite Landschaft nach Disla. Er war froh um die kalte Luft, die seinen Kopf vor dem Überkochen bewahrte. So weit das Auge reichte, sah man nur Weiß vom vielen Schnee, der von der Sonne zum Glitzern gebracht wurde. Isler nahm die Grü ß e der anderen Spaziergänger nicht wahr, erwiderte sie aber automatisch. Seine Gedanken kreisten um das kurze, schockierende Gespräch mit Ciampi. Und um den Tag, an dem er Maître vor dem Hotel Beau Rivage in Genf gesehen hatte. Um Sinshy, der auch in Genf gewesen war und jetzt Präsident werden wollte. Um das Ende der USA. Aber es ergab keinen Sinn! Er wusste, dass er keine weiteren Erläuterungen erwarten durfte, und es sich nicht erlauben konnte, mit Ciampi in Kontakt zu treten. Wenn Ciampi sagte, es sei gefährlich, stimmte das. Isler wusste eines sicher: Ciampi hatte Angst.
In Disla, einem Weiler aus nur ein paar Häusern, ging er in die zweihundert Jahre alte Ustria Fravia. Die Wirtin Anastasia, die ihn seit seiner Gymnasialzeit kannte, begrüßte ihn herzlich. Er bestellte ein Glas Chardonnay Schloss Salenegg und eine Portion Maluns da Lai. Das herzhafte Kartoffelgericht mit Salsiz, einer Bündner Wurstspezialität, baute ihn auf. Der Wein sorgte für eine Entkrampfung seiner Hirnwindungen.
Eineinhalb Stunden später war Isler zurück im Kloster. Vielleicht würde ein Gespräch mit Pater Aurelius Ordnung in seine Gedanken bringen. Mindestens aber Entlastung seiner Seele. Er wusste, dass er mit dem Pater über alles reden konnte. Als zu Paranoia neigender Dienstler vermutete Isler in jedem Menschen einen potentiellen Agenten – mit Ausnahme seiner Frau, seiner Tochter und Pater Aurelius.
Als er in der Stube des Paters angekommen war, schlug er einen kleinen Spaziergang vor. Der Geistliche lehnte dankend ab. Er war verkühlt und wollte seine Gesundheit schonen. Er bat Isler, sich an den Tisch zu setzen. Isler blickte zum Telefon. »Darf ich?«, fragte er und zog, ohne eine Antwort abzuwarten, den Stecker aus der Buchse. »Das Handy?«
Der Pater nahm sein Handy aus der Tasche seiner Kutte, blickte Isler lächelnd an und entfernte
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