EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung
sich dann mit seinem Griff nach dem Weißen Haus nicht selbst in die Ebene gelockt?
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Dienstag, 8. März 2016 I-Day – 186
Super Tuesday! Vorwahlen in fünfzehn Staaten, darunter so wichtige wie Massachusetts, New York und Kalifornien.
Jeanne Adams hatte bis zur letzten Minute gekämpft. Für ihre Nominierung und gegen den einzigen ernstzunehmenden Gegenkandidaten innerhalb der demokratischen Partei, ihren ehemaligen Freund Art Sinshy. Während des aufwendigsten Vorwahlkampfs eines Amtsinhabers seit Menschengedenken hatte sie in einem Monat mehr als achtzig Auftritte absolviert. Ein Programm, das nur mit dem Endspurt des eigentlichen Wahlkampfs im Herbst vergleichbar war.
Der Vorwahlkampf hatte sie von ihrem eigentlichem Job abgehalten – dem Regieren der Vereinigten Staaten von Amerika. Und damit auch von der Arbeit zur Umsetzung ihres Programms ›Neue Zukunft‹. Die Potgate-Kampagne hatte weiter die Medien dominiert. Kein Auftritt, an dem ihre Gegner nicht Demonstrationen organisiert hatten. Politische Aktivisten mit überdimensionalen Joints gaben ein willkommenes Bild für Fotografen und Kameraleute ab. Trotzdem hatten sich ihre Umfragewerte wieder erholt: Noch vor wenigen Tagen war nicht mehr sicher, ob Sinshy es schaffen würde, sie vom Kandidatensockel zu stoßen.
Die Katastrophe war erst am Sonntagabend passiert. Eine halbe Stunde, bevor ein Live-Interview mit Larry King aus dem Oval Office begann, überbrachte ihre kreidebleiche Privatsekretärin Jackie Bovard einen Umschlag. Es enthielt das Rücktrittsschreiben ihres engsten Beraters Francis Raffles. Minuten später meldeten die Agenturen die wichtigsten Sätze des Schreibens: »Ich muss mein Gewissen entlasten. Frau Präsidentin, ich kann die Lüge nicht mehr mittragen.« In einem Kommuniqué ließ Raffles verlautbaren, die Präsidentin habe ihm gegenüber in einem Gespräch unter vier Augen gestanden, dass die Vorwürfe der Medien richtig seien. Sie habe tatsächlich während mindestens einem Jahr in ihrer Studentenwohnung Marihuana angepflanzt und regelmäßig an befreundete Studenten verkauft.
Adams hatte keine Zeit, über die Enttäuschung nachzudenken. Nicht im Traum hätte sie Raffles, der schon zu ihrem Stab gehört hatte, als sie noch Kongressabgeordnete war, so einen Dolchsto ß zugetraut. Trotzdem glaubte sie für Sekunden, das Bewusstsein zu verlieren, bevor ihre Kämpfernatur siegte. Raffles, den sie zur Rede stellen wollte, war nicht erreichbar – er war einfach abgetaucht und sollte erst Monate später als Buchautor wieder in der Öffentlichkeit erscheinen.
Sofort folgte der zweite Schlag an diesem Abend. Zehn Minuten vor Beginn des Interviews mit Larry King veröffentlichte die Texas Times auf ihrer Webseite ein Foto, das sie längst vergessen hatte. Es zeigte sie bei einer Studentenparty, wie sie mit roten Augen und einem dämlichen Grinsen tatsächlich eine Blüte Marihuana in die Kamera hielt. Es war ihr Marihuana, wie sie sich erinnerte. Sie hatte es von einem Kommilitonen gekauft und auch geraucht. Aber sie hatte nie damit gehandelt. In den frühen Morgenstunden und unter Haschischeinfluss hatte sie die Blüte in die Hand genommen und in die Kamera eines Kommilitonen gehalten. Völlig harmlos. Völlig blödsinnig. Aber heute politisch absolut verheerend. Eine Blitzumfrage in den ersten Minuten der Sendung zeigte, dass sie an diesem Abend die Hälfte ihrer Wähler verloren hatte. Niemand glaubte ihr mehr. Für die meisten war jetzt alles klar. Auch die wohlwollende Gesprächsführung durch Larry King, der ahnte, dass sie Opfer eine Intrige war – er kannte den amerikanischen Politikbetrieb seit der Steinzeit – konnte das Schlimmste nicht verhindern.
Am Montag, dem letzten Tag vor den Wahlen, war jede Zeitung mit dem Foto auf der Titelseite herausgekommen. Tausend Worte konnten den falschen Eindruck nicht zerstreuen. Jeanne Adams war politisch erledigt!
Am Dienstagabend nach dem letzten Wahlkampfauftritt im Weißen Haus angekommen, zog sie sich mit ihrem Mann Richard, ihrer Tochter Barbara und ihrer Freundin Maya Shifter von der New York Times in Erwartung ihrer Niederlage in ihre Residenz zurück. Richard hatte die rettende Idee gehabt, nicht den Fernseher laufen zu lassen und so das langsame Hereintröpfeln der Resultate über sich ergehen zu lassen, sondern nach langer Zeit wieder einmal gemeinsam zu kochen. Ihre Mitarbeiter würden sie über das Resultat der
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