Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
über den inneren Zonen war es nur etwa zwei Meter dick, am äußeren Rand dagegen viel dicker, so dass es eine unsichtbare Schüssel über dem Labyrinth bildete. Aber es gab keine Lücken; das Feld war durchgehend wirksam.
Auf Kosten einiger Maulwurfsonden fanden sie anderntags heraus, dass es ebenso unmöglich war, die innere Stadt durch einen Tunnel zu erreichen. Die Maulwurfsonden wühlten sich außerhalb der Umwallung in die sandige Erde, gruben sich fünfzig Meter in die Tiefe und kamen unter dem Labyrinth wieder herauf. Sie waren noch zwanzig Meter unter der Erdoberfläche, als sie zerstört wurden.
Ein Ingenieur erbot sich, eine Störanlage zu errichten, um dem Feld soviel Energie abzuzapfen, bis es zusammenbräche. Es klappte nicht. Der hundert Meter hohe Leichtmetallmast sog Energie ab, dass die Verbindungsleitungen zu den Akkumulatoren von zischenden und knatternden blauen Blitzen überlaufen wurden und die Akkumulatoren zu verschmoren drohten, aber das Energiefeld blieb stabil, zeigte nicht die geringste Abnahme. Sie verkehrten das System und schossen mit einem Stoß eine Million Kilowatt ins Feld, um es vielleicht kurzzuschließen. Das Feld nahm alles auf und schien bereit für mehr. Niemand wusste eine rationale Theorie zur Erklärung der Energiequelle des Feldes. »Es muss irgendwie die planetarische Rotationsenergie anzapfen«, meinte der Ingenieur resignierend und erteilte Anweisungen, die Anlage wieder abzubauen.
Drei Tage weiterer Versuche ergaben, dass die Stadt gegen ein Eindringen von oben oder unten unverwundbar war.
»Es gibt nur einen Weg hinein«, sagte Hosteen, »und das ist der zu Fuß, durch das Haupttor.«
»Wenn die Bewohner der Stadt wirklich absolute Sicherheit suchten«, sagte einer, »warum haben sie dann ein Tor offen gelassen?«
»Vielleicht wollten sie selber ein- und ausgehen«, sagte Boardman geduldig. »Oder vielleicht wollten sie möglichen Invasoren eine sportliche Chance geben. Hosteen, wollen wir ein paar Sonden hineinschicken?«
Der Morgen war grau. Wolken in der Farbe von Holzrauch hatten den Himmel überzogen; es sah beinahe nach Regen aus. Ein leichter Wind trug Staub über die Ebene und blies ihn in die Gesichter der Männer. Hinter den Wolkenschleiern hing die Sonne, eine orangefarbene Scheibe, matt und nur wenig größer als Sol, von der Erde aus gesehen, obwohl sie kaum halb so weit entfernt war. Lemnos' Sonne war ein trüber Zwerg der M-Gruppe, ein alter Stern, umkreist von einem Dutzend alter Planeten. Lemnos, der innerste, schien der einzige zu sein, der jemals Leben getragen hatte; die anderen waren starr und tot, außerhalb der Reichweite schwächlicher Wärmestrahlung von ihrer Sonne, gefroren vom Kern bis zur Atmosphäre. Es war ein schläfriges System mit so sehr verlangsamten Bewegungen, dass sogar der sonnennächste Planet dreißig Monate für einen Umlauf brauchte; die drei kleinen Monde von Lemnos, die ein paar tausend Kilometer über der Planetenoberfläche ihre einander kreuzenden Bahnen durchsausten, passten in keiner Weise zur vorherrschenden Stimmung dieser Welten.
Ned Rawlins stand bedrückt bei der Datenaufnahme, tausend Meter von der äußersten Umwallung, und sah zu, wie seine Reisegefährten ihre Sonden und Instrumente ordneten. Nicht einmal der absterbende, pockennarbige Mars hatte ihn so deprimiert, denn Mars war eine Welt, die nie hochentwickeltes Leben hervorgebracht hatte, während es hier solches Leben gegeben hatte und in kümmerlichen Resten noch geben mochte. Diese Welt war ein Totenhaus. In Theben hatte er einmal das Grab eines pharaonischen Wesirs besucht, der seit fünftausend Jahren tot war, und während die anderen in seiner Gruppe die prachtvollen Wandmalereien mit ihren lebhaften Szenen betrachtet hatten, wo weißgekleidete Bootsleute ihre beladenen Nilbarken stakten, hatte er den kühlen Steinboden gesehen, und einen toten Käfer, der dort im Staub lag, die hakigen Beine emporgereckt. Für ihn würde Ägypten immer dieser erstarrte Käfer im Staub sein; für ihn würde Lemnos wahrscheinlich immer Herbstwind und braune Ebene und eine schweigende Stadt sein. Er wunderte sich, wie ein so begabter, lebensvoller und warmherziger Mensch wie Richard Müller jemals bereit gewesen sein konnte, sich in diesem schaurig öden Labyrinth zu vergraben.
Dann erinnerte er sich, was Müller auf Beta Hydri IV widerfahren war, und räumte ein, dass selbst ein Mann wie Müller gute Gründe haben mochte, auf einer Welt wie dieser und in
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