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Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Titel: Exil im Kosmos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Müller zwanzig Zentimeter größer.
    In einer Weise arbeiteten sie beide in derselben Branche. Beide gehörten jenem Korps von Vermittlern und Diplomaten an, das sich bemühte, die über die halbe Galaxis verstreute Menschheit zusammenzuhalten. Müller respektierte Boardmans Fähigkeiten und die Leistungen seiner langen Karriere, aber er konnte nicht sagen, dass er den älteren Mann mochte. Er wusste, dass Boardman schlau, skrupellos und der Dachorganisation selbständiger Welten ergeben war – und die Verbindung von Ergebenheit und Skrupellosigkeit ist stets gefährlich.
    Boardman zog eine Kassette aus der Tasche und schob sie über den Tisch zu Müller. »Sehen Sie sich das an«, sagte er. »Der Betrachter ist neben Ihnen.«
    Müller steckte die handtellergroße Kassette in den Aufnahmeschlitz. Ein Bildschirm schob sich am Tischende in die Höhe und wurde hell. Müller sah einen wolkenumhüllten Planeten, grau und mit rötlichen waagrechten Streifen. Die Kamera durchstieß die Wolkendecke und zeigte einen ungewöhnlichen, nicht sehr erdähnlichen Planeten. Der Erdboden sah feucht und schwammig aus, und gummiartige Bäume von der Form riesiger Pilze entsprossen ihm. Es war schwierig, die relativen Größen zu bestimmen, aber sie sahen gewaltig aus. Ihre bleichen Stämme waren rau und rissig von abgestoßenem und vertrocknetem Rindengewebe. Die meisten waren verbogen und zu einem Fünftel ihrer Länge von tassenartigen Stulpen umgeben. Oben waren weder Äste noch Zweige, nur breite, flache Kappen, deren Unterseiten fleckig und zerfressen aussahen. Als Müller die seltsame Szenerie betrachtete, kamen drei fremdartige Gestalten durch den düsteren Hain geschlendert. Sie waren länglich, fast spinnenhaft, mit Bündeln von acht oder zehn Gelenkarmen an ihren schmalen Schultern. Ihre Köpfe waren spitz zulaufend und hatten umlaufende Augenringe, vertikale Nasenschlitze und Münder, die sich nach der Seite öffneten. Sie gingen aufrecht auf langen, eleganten Beinen, die in rundlichen Verdickungen endeten. Obwohl sie bis auf mutmaßlich ornamentale Stoffstreifen zwischen ihren zweiten und dritten Gelenken unbekleidet waren, sah Müller weder Reproduktionsorgane noch Säugetierfunktionen irgendwelcher Art. Ihre Häute waren unpigmentiert, grau wie der Himmel dieser Welt und von rauer Beschaffenheit.
    Mit Bewegungen von wundervoller Anmut näherten die Gestalten sich drei von den Riesenpilzen und erkletterten sie, bis jeder von ihnen auf dem Dach eines anderen Pilzbaumes stand. Aus dem Armbündel löste sich ein Arm, der speziell angepasst schien; unähnlich den anderen Armen, die je fünf kreisförmig angeordnete, fühlerartige Finger hatten, endete dieser in einem nadelspitzen Organ. Dieses stießen sie mit Leichtigkeit tief ins Zentrum, wo der gummiartige Stamm endete. Sie verharrten eine Weile fast unbeweglich, wie wenn sie Saft aus den Bäumen sögen. Dann kletterten sie herab und setzten ihren Spaziergang fort, äußerlich unverändert.
    Eins der fremden Wesen verhielt, bückte sich und spähte auf den Boden. Es nahm das Fernsehauge auf, das die Vorgänge beobachtet und aufgezeichnet hatte. Auf dem Bildschirm wurde es chaotisch; Müller vermutete, dass das Auge von Hand zu Hand ging. Plötzlich erlosch das Bild ganz. Das Fernsehauge war zerstört worden. Die Kassettenaufnahme war abgespielt.
    Nach einem Moment nachdenklichen Schweigens sagte Müller: »Sie sehen recht überzeugend aus.«
    »Das sollten sie wohl. Sie sind echt.«
    »Stammt diese Aufnahme von einer Sonde aus irgendeinem anderen Stamm der Galaxis?«
    »Nein«, sagte Boardman. »Aus unserem galaktischen Arm.«
    »Beta Hydri Vier, vielleicht?«
    »Ja.«
    »Ich möchte es noch einmal abspielen.«
    »Selbstverständlich.«
    Müller steckte die Kassette ein zweites Mal in den Schlitz. Wieder machte das Fernsehauge seinen Abstieg durch die Wolkenhülle, wieder zeigte es die pilzförmigen Bäume; wieder erschienen die drei Fremden, sogen Nahrung aus den Bäumen, bemerkten das Auge und zerstörten es. Müller studierte die Bilder in kalter Faszination. Er hatte noch nie lebende Vertreter einer fremden intelligenten Rasse gesehen.
    Boardman sagte: »Die Aufnahme ist noch nicht einen Monat alt. Wir brachten ein Schiff in eine Umlaufbahn und ließen ungefähr tausend Fernsehaugen auf den Planeten hinabregnen. Ungefähr die Hälfte versank in den Meeren. Die meisten anderen landeten in unbewohnten oder uninteressanten Gegenden. Dies war das einzige, das uns ein

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