Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
keine erkennbaren Familienbande und tat, was sie wollte. Müller wusste nicht, ob sie einen Beruf hatte oder nicht, aber er bemerkte, dass es ihr an Geld nicht mangelte. Er war eine Woche lang ausschließlich mit ihr zusammen. Am achten Tag traf Charles Boardman auf Marduk ein, mietete eine Hotelsuite auf einem anderen Kontinent und lud Müller zu einem Besuch ein.
»Ich mache Urlaub«, sagte Müller.
»Geben Sie mir einen halben Tag davon.«
»Ich bin nicht allein.«
»Ich weiß. Bringen Sie das Mädchen mit. Es ist eine sehr wichtige Angelegenheit.«
»Ich bin hier, um wichtigen Angelegenheiten zu entgehen.«
»Es gibt niemals ein Entkommen. Sie wissen das. Sie sind, was Sie sind, und wir brauchen Sie. Werden Sie kommen?«
Müller antwortete mit einem Fluch und legte auf.
Am nächsten Morgen bestiegen er und Marta eine Maschine, die sie zu Boardmans Aufenthaltsort bringen sollte. Müller erinnerte sich an den Flug, als ob er vor ein paar Wochen gewesen wäre. Sie überflogen die Schneegipfel der Berge in so geringer Höhe, dass sie einige der langgehörnten Schneeantilopen über einen gleißenden Gletscher ziehen sahen: jedes ausgewachsene Tier zwei Tonnen Muskeln und Knochen, phantastische Bewohner der Hochregionen, die kostspieligste Jagdbeute, die Marduk zu bieten hatte. Viele Leute verdienten in ihrem ganzen Leben nicht soviel wie eine Abschusslizenz für eine Schneeantilope kostete.
Am Abend landeten sie auf der anderen Seite des Planeten, wo es noch nicht Mittag war. Boardman ließ sie am Flughafen abholen und empfing sie in seiner herausfordernd luxuriösen Hotelsuite. Er packte Müllers Handgelenk zum Gruß und umarmte Marta in unverhüllter Lüsternheit. Sie war geistesabwesend und wortkarg, entzog sich stumm widerstrebend seiner Umarmung; offensichtlich betrachtete sie den Besuch als verlorene Zeit.
»Haben Sie Hunger?«, fragte Boardman. »Zuerst essen, dann reden!«
Er bediente sie mit Aperitifs; dann aßen sie in einem fliegenden Aussichtsrestaurant, das langsam über Seen und Wälder hinwegglitt, während sie in bequemen Sesseln hinter Panoramafenstern speisten. Boardman ließ sich nicht lumpen; das Beste schien ihm für seine Gäste gerade gut genug zu sein. Er hatte alles dies sorgfältig inszeniert, um eine Stimmung zu erzeugen, aber seine Anstrengungen waren umsonst. So leicht ließ Müller sich nicht einlullen. Er mochte geneigt sein, auf Boardmans Angebot einzugehen, was immer es war, aber nicht, weil er sich von falscher Herzlichkeit einwickeln ließ.
Marta langweilte sich. Sie zeigte es durch die abweisende Gleichgültigkeit, mit der sie Boardmans lüstern-forschende Blicke ignorierte. Müller war über ihre Unzugänglichkeit amüsiert, Boardman nicht.
Nach dem Essen ging das fliegende Restaurant – Boardman hatte es für der. Zweck gemietet, und andere Gäste waren nicht an Bord – am sonnigen Ufer eines tiefen, klaren Sees nieder. Die Seitenwand öffnete sich, und Boardman sagte: »Vielleicht möchte die junge Dame schwimmen, während wir das stumpfsinnige Geschäftsgespräch hinter uns bringen?«
»Eine gute Idee«, sagte Marta gleichgültig.
Sie stand auf, öffnete die Schließe an ihrer Schulter und ließ ihr Kleid zu ihren Knöcheln herabgleiten. Boardman machte eine große Schau daraus, das Kleid aufzufangen und wegzuhängen. Sie lächelte ihm mechanisch zu, drehte um und ging zum Seeufer hinunter, eine bräunliche nackte Gestalt mit schmaler Taille und sanft gerundetem Hinterteil, überspielt von den Lichtreflexen des Wassers. Sie watete langsam hinein, tauchte unter und schwamm dann mit kräftigen Zügen hinaus.
Boardman sagte: »Ein hübsches Mädchen. Wer ist sie?«
Müller zuckte mit der Schulter. »Ein Mädchen. Ziemlich jung, glaube ich.«
»Jünger als Ihre üblichen Begleiterinnen, würde ich sagen. Ziemlich verwöhnt. Kennen Sie sie schon lange?«
»Seit letztem Jahr. Sind Sie interessiert?«
»Natürlich.«
»Ich werde es ihr sagen«, antwortete Müller. »Ein anderes Mal.«
Boardman lächelte und machte eine Geste zu den Flaschenbatterien. Müller schüttelte den Kopf. Marta schwamm draußen im See, fünfzig Meter vom Ufer. Die zwei Männer beäugten einander. Sie schienen im gleichen Alter zu sein, Mitte fünfzig; Boardman fleischig und feist, ergrauend und kraftvoll aussehend, Müller mager, grauhaarig, das schmale Gesicht misstrauisch. Sitzend schienen sie auch von gleicher Größe zu sein. Der Schein trog: Boardman war eine Generation älter,
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