Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
klares Bild der Fremden übermittelte.«
»Warum wurde die Entscheidung getroffen, unsere Quarantäne über diesen Planeten aufzuheben?«
Boardman atmete hörbar aus. »Wir denken, dass es an der Zeit ist, mit ihnen in Berührung zu kommen, Müller. Seit zehn Jahren schnüffeln wir um sie herum und haben noch nicht guten Tag gesagt. Das ist nicht nachbarlich höflich. Und weil die Bewohner Beta Hydris – nennen wir sie Hydraner – und wir die einzigen intelligenten Rassen in diesem Teil der Galaxis sind, gelangten wir zu der Auffassung, dass wir freundliche Beziehungen einleiten sollten.«
»Ich finde Ihre Taktik des Verschweigens nicht vertrauenerweckend«, sagte Müller grob. »Wenn Sie etwas von mir wollen, werden Sie offener sprechen müssen. Nach monatelangen Debatten entschied der Rat durch Mehrheitsbeschluss, die Hydraner für mindestens hundert Jahre unbehelligt zu lassen – es sei denn, sie machten Anstalten, selbst in den Raum vorzudringen. Wer machte diese Entscheidung rückgängig, und wann, und warum?«
Boardman lächelte sein schlaues Lächeln. Bedächtig sagte er: »Ich wollte nicht den Anschein erwecken, etwas zu verschweigen. Die Entscheidung wurde in einer Ratssitzung vor acht Monaten rückgängig gemacht, während Sie in der Region Rigel waren.«
»Und der Grund?«
»Eine der galaktischen Sonden kehrte mit überzeugenden Beweisen zurück, dass es in einem der benachbarten Arme unseres Spiralnebels mindestens noch eine hochintelligente und durchaus überlegene Spezies gibt.«
»Wo?«
»Das spielt keine Rolle. Entschuldigen Sie, aber ich werde es Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.«
Müller schwieg.
»Nach allem, was wir bisher von ihnen wissen, sind sie viel mehr als alles, was wir verkraften können. Sie besitzen einen galaktischen Antrieb, und wir können damit rechnen, dass sie uns in einem dieser Jahrhunderte besuchen werden – und wenn sie das tun, wird es für uns problematisch. Darum wurde beschlossen, die Verbindung mit Beta Hydri Vier entgegen dem Plan schon jetzt aufzunehmen, sozusagen als eine Vorsorge gegen jenen anderen Tag.«
»Sie meinen«, sagte Müller, »wir wollen gute Beziehungen zu dieser Rasse herstellen, bevor die Überintelligenten aus der anderen Ecke der Galaxis bei uns auftauchen?«
»Genau.«
Müller ließ sich in seinen Sessel zurückfallen und schloss die Augen. Er hatte eine Menge zu verdauen. Seit einigen Jahrhunderten erforschte der Mensch die Sterne, ohne eine Spur von einem Rivalen zu finden. Es gab massenhaft Planeten, und viele von ihnen waren potentiell bewohnbar, und eine überraschend stattliche Zahl war erdähnlich. Soviel hatte man erwartet. Der Himmel ist voll von Sonnen der Typen F und G; der Prozess der Planetenentstehung ist keine Ausnahmeerscheinung, und die meisten dieser Sonnen hatten zwischen fünf und fünfzehn Trabantenwelten, von denen eine bis zwei die nötigen Voraussetzungen für die Entstehung erdähnlicher Verhältnisse zu bieten pflegten: die richtige Größe und Masse, um eine Atmosphäre festzuhalten, die richtige Orbitalzone zur Vermeidung von Temperaturextremen. Die Galaxis wimmelte von Leben und war eine Freude für Botaniker und Zoologen.
Aber in seiner überstürzten Expansion in die benachbarten Sektoren der Galaxis hatte der Mensch nur die Überreste ausgestorbener intelligenter Arten gefunden. Pflanzen und Tiere bewohnten die Ruinen unvorstellbar alter Kulturen. Das am meisten aufsehenerregende Überbleibsel einer längst dahingegangenen Spezies war das Labyrinth von Lemnos; aber auch andere Welten hatten ihre Ruinenstümpfe und verwitterten Fundamente, ihre Begräbnisplätze und verstreuten Tonscherben. Der Raum wurde auch eine Freude für Archäologen. Die Sammler fremdartiger Tiere und Pflanzen und Relikte hatten eine geschäftige Zeit. Neue Wissenschaftszweige entstanden. Fremdartige Kulturen und Gesellschaften, die untergegangen waren, bevor Künstler der Steinzeit die Höhlen von Altamira und Lascaux ausgemalt hatten, wurden nun exhumiert und erforscht.
Aber allen anderen intelligenten Rassen im näheren galaktischen Bereich war das Schicksal des Aussterbens gemeinsam. Offenbar hatten sie vor so langer Zeit geblüht, dass nicht einmal ihre degenerierten Nachkommen überlebten. Sorgfältige Messungen ergaben, dass die jüngsten der bekannten extrasolaren Kulturen vor achtzig- oder hunderttausend Jahren untergegangen waren.
Die Galaxis ist groß. Mehrere Jahrtausende nach seinem ersten Schritt aus dem
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