Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
gelassen.
»Wollen Sie mir dann die Taktik erläutern, die Sie anzuwenden gedenken, nachdem Sie ihn informiert haben, dass das Versprechen der Heilung eine Lüge ist, und dass es einen gefährlichen neuen Auftrag gibt, den er auszuführen hat?«
»Ich ziehe es vor, zukünftige Strategien jetzt nicht zu diskutieren.«
»Ich kündige Ihnen meine weitere Mitarbeit auf«, sagte Rawlins.
Kapitel 38
Boardman hatte etwas Ähnliches erwartet. Eine vornehme Geste; eine Aufwallung hartnäckigen Trotzes; einen Sturmangriff der Tugend auf das Gehirn. Er gab seine distanzierte Gleichgültigkeit auf, lehnte sich zurück und blickte Rawlins in die Augen. Ja, da war Stärke. Und Entschlossenheit. Aber nicht Bosheit. Noch nicht.
»Sie kündigen mir Ihre Mitarbeit auf?«, sagte Boardman mit einem simulierten Anflug von Erstaunen. »Nach all Ihrem Gerede von Dienst an der Menschheit? Wir brauchen Sie, Ned. Als unentbehrlichen Mann, als unsere Verbindung zu Müller.«
»Meine Loyalität zur Menschheit schließt eine Loyalität zu Richard Müller ein«, sagte Rawlins steif. »Er ist ein Teil der Menschheit, ob er es glaubt oder nicht. Ich habe mich bereits eines Verbrechens an ihm schuldig gemacht. Wenn Sie mich nicht in den Rest dieses Plans einweihen, dann will ich nichts damit zu tun haben.«
»Ich bewundere Ihre moralische Stärke.«
»Meine Kündigung bleibt bestehen.«
»Ich stimme Ihnen sogar zu«, sagte Boardman. »Ich bin nicht stolz auf das, was wir hier tun müssen. Ich sehe es als Teil einer historischen Notwendigkeit – der Notwendigkeit eines gelegentlichen Betrugs zugunsten eines höheren Ziels. Ich habe auch ein Gewissen, Ned, ein achtzig Jahre altes Gewissen, sehr gut entwickelt, selbst wenn Sie es nicht glauben wollen. Es verkümmert nicht mit dem Alter. Wir lernen einfach, mit seinen Beschwerden zu leben, das ist alles.«
»Man kann es auch Korrumpierung nennen«, sagte Rawlins. »Wenn wir aufhören, unser Gewissen zur Richtschnur unseres Handelns zu machen und ihm nur noch eine Alibifunktion lassen, dann haben wir es in Wirklichkeit schon verloren.«
Boardman seufzte. »Vielleicht haben Sie recht. Mein Gewissen ist also korrumpiert. Aber das ändert nichts an der Notwendigkeit unseres Vorhabens.«
»Wie wollen Sie Müller zur Zusammenarbeit bewegen? Ihn mit Drogen behandeln? Seine Psyche manipulieren? Ihn mit Foltern erpressen?«
»Nichts dergleichen.«
»Was dann? Ich meine es ernst, Boardman. Meine Rolle in diesem Unternehmen endet hier, es sei denn, ich erfahre, wie es weitergehen soll.«
Boardman hustete, trank sein Glas leer, aß einen Pfirsich und nahm drei Pillen in rascher Folge. Rawlins' Rebellion war beinahe unausweichlich gewesen, und er war auf sie vorbereitet, doch nun fand er sie überaus lästig und unangenehm. Er musste ein kalkuliertes Risiko eingehen.
»Ich sehe«, sagte er verdrießlich, »dass es Zeit ist, ein offenes Wort zu sprechen. Ich werde Ihnen sagen, was für Richard Müller vorgesehen ist – aber ich möchte, dass Sie es im größeren Zusammenhang sehen. Vergessen Sie nicht, dass das kleine Spiel, das wir auf diesem Planeten spielen, nicht einfach eine Sache von privaten moralischen Grundsätzen ist. Auf die Gefahr hin, anmaßend zu klingen, muss ich Sie erinnern, dass es um das Schicksal der Menschheit geht.«
»Ich höre.«
»Nun gut. Müller muss zu unseren galaktischen Freunden gehen und sie überzeugen, dass der Mensch tatsächlich eine intelligente Spezies ist. Er allein ist dazu fähig, wegen seiner einzigartigen Unfähigkeit, seine Gedanken zu verhüllen.«
»Einverstanden.«
»Nun ist es keineswegs nötig, die Fremden zu überzeugen, dass wir gute oder ehrenwerte oder liebenswerte Leute seien. Wir brauchen ihnen nur klarzumachen, dass wir Gehirne haben und denken können. Dass wir empfinden. Dass wir mit Vernunft begabt und etwas anderes als kluge Maschinen sind. Für unsere Zwecke spielt es gar keine Rolle, weiche Emotionen Müller aussendet, solange er überhaupt welche aussendet.«
»Ich beginne zu verstehen.«
»Ist er einmal aus dem Labyrinth, können wir ihm darum ganz offen sagen, welches sein Auftrag ist. Zweifellos wird er über unseren Betrug in Zorn geraten. Aber darüber hinaus wird er vielleicht sehen, wo seine Pflicht liegt. Ich hoffe es. Sie scheinen zu denken, dass er es nicht tun wird. Aber es macht keinen Unterschied, Ned. Sobald er sein Heiligtum verlässt, wird ihm keine Wahl bleiben. Man wird ihn zu den Fremden bringen, so dass er
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