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Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Titel: Exil im Kosmos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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zwangsläufig mit ihnen Kontakt finden wird. Es ist brutal, ich weiß. Aber notwendig.«
    »Seine Kooperationsbereitschaft ist also unwichtig«, sagte Rawlins nachdenklich. »Er wird einfach bei den Fremden abgeladen. Wie ein Sack.«
    »Wie ein denkender Sack. Unsere Freunde dort draußen werden es lernen.«
    »Ich …«
    »Nein, Ned. Sagen Sie jetzt nichts. Ich weiß, was Sie denken. Sie verabscheuen den Plan. Ich verabscheue ihn selber. Gehen Sie jetzt, denken Sie darüber nach. Prüfen Sie die Situation, betrachten Sie sie von allen Seiten, bevor Sie zu einem Entschluss kommen. Wenn Sie morgen einen freien Tag wollen, lassen Sie es mich wissen, aber versprechen Sie mir, dass Sie Ihre Entscheidung überschlafen werden. Ja? Dies ist keine Zeit für überstürztes Urteilen.«
    Rawlins' Gesicht war bleich und zornig. Er presste seine Lippen zusammen. Boardman lächelte wohlwollend. Rawlins starrte ihn aus schmalen Augen an. Dann ballte er die Fäuste, drehte sich um und ging schnell hinaus.
    Ein kalkuliertes Risiko.
    Boardman nahm eine weitere Pille. Darauf ergriff er die Feldflasche, die Müller ihm geschickt hatte. Er schraubte sie auf.

Kapitel 39
     
    Müller hatte die Hydraner beinahe schätzen gelernt. Seine angenehmste Erinnerung an sie war die Anmut ihrer Bewegungen. Sie schienen zu schweben. Die Fremdartigkeit ihrer Körper hatte ihn niemals gestört; er sagte gern, dass man die Erde nicht zu verlassen brauche, um das Groteske zu finden. Giraffen. Hummer. Seeanemonen. Tintenfische. Kamele. Betrachtete man ein Kamel mit der gebotenen Objektivität, konnte man sich sehr wohl die Frage vorlegen, ob seine Gestalt weniger seltsam als die eines Hydraners sei.
    Er war in einer feuchten, trübseligen Gegend des Planeten gelandet, etwas nördlich vom Äquator, auf einem amöbenförmigen Kontinent, der ein gutes Dutzend großer Quasistädte trug. Jede dieser Agglomerationen breitete sich über eine Fläche von mehreren hundert Quadratkilometern aus. Sein lebenserhaltender Anzug, speziell für diese Mission entwickelt, war wenig mehr als eine dünne, anliegende Filterhaut, in der er sich leicht und bequem bewegen konnte.
    Er wanderte eine Stunde durch einen Wald der riesigen Pilzbäume, bevor er die ersten Einheimischen traf. Die Bäume erreichten Höhen von mehr als hundert Metern; vielleicht hatte die geringe Schwerkraft von fünf Achteln der Erdnorm etwas damit zu tun. Ihre gebogenen Stämme sahen nicht sehr widerstandsfähig aus. Müller vermutete, dass eine äußerst verholzte Schicht von wenigen Zentimetern Stärke einen dicken Kern aus weichem Mark umhüllte. Die Pilzdächer der Bäume bildeten einen fast durchgehenden Baldachin, der nur wenig Licht durchsickern ließ. Weil der Planet ohnehin kein direktes Sonnenlicht kannte, herrschte am Waldboden Dunkelheit.
    Als er den Fremden begegnete, fand er zu seiner Überraschung, dass sie ungefähr drei Meter groß waren. Seit seiner Kindheit hatte er sich nicht so winzig gefühlt; er stand von ihnen umringt und musste seinen Kopf in den Nacken legen, um ihre Augen zu sehen. Nun war die Zeit für seine Übung in angewandter Hermeneutik gekommen. Mit ruhiger Stimme sagte er: »Mein Name ist Richard Müller. Ich komme in Freundschaft von den Bewohnern der irdischen Kultursphäre.«
    Natürlich konnten sie das nicht verstehen. Aber sie blieben bewegungslos. Er bildete sich ein, dass ihre Mienen nicht unfreundlich waren.
    Müller ließ sich auf die Knie nieder und zeichnete den Pythagoräischen Lehrsatz in die weiche, feuchte Erde.
    Er blickte auf. Er lächelte. »Ein Grundbegriff der Geometrie. Ein universales Denkmodell.«
    Ihre vertikalen Nasenschlitze zuckten. Sie neigten ihre Köpfe. Er glaubte zu sehen, dass sie nachdenkliche Blicke austauschten. Da ihre Augen kreisförmig um die Köpfe angeordnet waren, brauchten sie ihre Haltung nicht zu verändern, um das zu tun.
    »Lasst mich weitere Zeichen unserer Geistesverwandtschaft geben«, sagte Müller zu ihnen.
    Er ritzte eine Linie in die Erde, ein kurzes Stück davon zwei weitere, und in etwas größerem Abstand drei Linien. Dann setzte er die Zeichen in die Lücken: I + II = III.
    »Ja?«, sagte er. »Wir nennen es Addition.«
    Eine leichte Bewegung ging durch die gelenkigen Glieder. Zwei seiner Zuhörer berührten einander mit den Armen. Müller entsann sich, wie sie das Fernsehauge sofort nach seiner Entdeckung zerstört hatten, ohne es auch nur zu untersuchen. Er war auf die gleiche Reaktion vorbereitet, doch sie

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