Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
mein Freund. Dessen Planeten von hässlichen kleinen Lebewesen bevölkert sind, die sich wie verspritztes Urin über diesen Teil des Universums ausgebreitet haben.«
»Darf ich etwas sagen, das Sie beleidigen könnte?«, fragte Rawlins.
»Sie können mich nicht beleidigen. Aber Sie dürfen es versuchen.«
»Ich glaube, dass Ihre Betrachtungsweise verzerrt ist. Sie haben in all den Jahren hier die klare Perspektive verloren.«
»Nein. Ich habe in dieser Zeit sehen und denken gelernt.«
»Sie werfen den Menschen vor, dass sie als Menschen reagieren und handeln. Ich kann Ihnen sagen, dass es nicht leicht ist, mit jemandem wie Ihnen zusammen zu sein. Wären Sie an meinem Platz hier, würden Sie das verstehen. Es schmerzt, in Ihrer Nähe zu sein. Käme ich noch näher, würde ich am liebsten heulen. Sie können nicht erwarten, dass die Leute sich so rasch anpassen. Nicht mal Ihre nächsten Angehörigen könnten …«
»Ich habe keine Angehörigen.«
»Sie waren verheiratet.«
»Das liegt weit zurück.«
»Sicherlich hatten Sie eine Frau, die Ihnen nahestand.«
Müller zuckte die Achseln.
»Freunde?«
»Sie verdrückten sich, so schnell sie konnten.«
»Sie gaben ihnen nicht genug Zeit.«
»Zeit genug.«
Rawlins rückte unbehaglich auf dem breiten Steinsitz hin und her. »Ich muss Ihnen etwas sagen, das Sie verletzend finden werden, Mister Müller. Es tut mir leid, aber ich muss. Was Sie mir erzählen, erinnert mich an Diskussionen in meiner Studienzeit. Studentenzynismus. Die Welt ist verabscheuungswürdig, sagen Sie. Übel. Sie haben die wahre Natur des Menschen gesehen, und Sie wollen nie wieder etwas mit der Menschheit zu tun haben. Mit Zwanzig redet jeder so. Aber es ist eine vorübergehende Phase. Wir entwachsen ihr und sehen, dass die Welt doch ein recht lebenswerter Ort ist, dass die Menschen sich bemühen, ihr Bestes zu tun, dass wir unvollkommen, aber nicht verächtlich sind …«
»Hören Sie auf mit dem Geschwafel! Oder wollen Sie mir beweisen, dass Sie Ihren kritischen Verstand auf dem Altar des manipulierten Konformismus geopfert haben? Und was Ihren sogenannten Studentenzynismus angeht, so bezweifle ich erstens, dass er so ernsthaft gemeint ist, und zweitens, dass er so verbreitet ist, wie Sie glauben machen wollen. Übrigens hat ein Zwanzigjähriger kein Recht auf eine solche Meinung; gewöhnlich will er sich damit nur interessant machen. Ich bin auf dem steinigen Weg eigenen Denkens und eigener Erfahrung zu meinen Überzeugungen gelangt.«
»Aber warum sich an ihnen festklammern? Sie scheinen sich in Ihrem eigenen Elend zu sonnen. Machen Sie sich frei davon! Schütteln Sie es ab! Kommen Sie mit uns zur Erde zurück und vergessen Sie die Vergangenheit. Oder vergeben Sie wenigstens.«
Müller starrte ihn finster an. Bin ich wirklich so ein Misanthrop?, dachte er. Eine Pose, geboren aus polemischen Gründen? Nein, nein. Es gibt keine Heilung. Der Mann ist durchsichtig; er lügt, nur weiß ich nicht, warum. Er will mich fangen, mich mit allen Mitteln bewegen, an Bord ihres Schiffes zu gehen. Aber warum, zum Teufel? Was steckt hinter diesem Bekehrungseifer? Nur das altruistische Motiv, dem Freund des Vaters zu helfen? Schwerlich. Aber was, wenn seine Behauptung zuträfe? Warum dann nicht zurückkehren? Darauf hatte er seine eigenen Antworten. Es war der Abscheu, der ihn zurückhielt. Abscheu und Furcht. Das menschliche Milliardengewimmel auf der Erde zu sehen – eine albtraumhafte Vorstellung! Sich wieder in dieses ameisenhafte Leben einzuordnen! Nach neun Jahren auf einer wüsten Insel fürchtete er eine Rückkehr, von der er nichts zu erhoffen hatte. Er geriet in eine depressive Stimmung. Der Mann, der ein Gott sein wollte, war nur noch ein jämmerlicher Neurotiker, der sich in seiner Isolation verbarrikadierte. Traurig, dachte Müller.
Rawlins sagte: »Ich fühle eine Veränderung Ihrer Gedanken. Sie sind bekümmert.«
»Das können Sie fühlen?«
»Es ist nichts Spezifisches. Aber Sie waren zornig und bitter, jetzt sind Sie schweigsam und bekümmert geworden.«
Müllers Gesicht verschloss sich. Er presste die Kiefer zusammen. Er stand mit einem Ruck auf und ging langsam auf Rawlins zu und beobachtete mit grimmiger Befriedigung, wie der andere Mühe hatte, sein starkes Unbehagen zu verbergen.
Er sagte: »Ich glaube, Sie sollten jetzt an Ihre archäologische Arbeit zurückkehren, Rawlins. Ihre Freunde werden sich wieder ärgern.«
»Ich habe noch etwas Zeit.«
»Nein, Sie haben
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