Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
nicht. Gehen Sie!«
Kapitel 37
Gegen Charles Boardmans ausdrückliche Weisung bestand Rawlins darauf, an diesem Abend zum Basislager in Zone F zurückzukehren. Sein Vorwand war, dass er die nachgefüllte Feldflasche mit Schnaps abliefern wollte, die er Müller zuletzt noch hatte abringen können. Boardman wollte, dass einer der anderen Männer die Flasche überbringe, und sein Vorwand war, dass er Rawlins die Risiken der Zone F ersparen wollte. Der tatsächliche Grund war, dass er den direkten Kontakt scheute, den Rawlins suchte und brauchte. Aber Rawlins ließ sich nicht abweisen. Er war entmutigt. Seine Entschlossenheit war erschüttert.
Er fand Boardman beim Abendessen. Der alte Mann saß an einem luxuriösen Klapptisch mit polierter Platte aus dunklem Eichenholz und kunstvoller Einlegearbeit. Aus elegantem Porzellangeschirr aß er kandierte Früchte, Fleischextrakte, Gemüse, scharfe Soßen. Neben seiner fetten Hand stand eine Weinkaraffe aus olivenfarbenem Glas, davor ein Kristallglas, halb geleert. Geheimnisvolle Pillen verschiedener Art ruhten in den flachen Mulden eines rechteckigen Blocks aus schwarzem, hell geäderten Onyx; von Zeit zu Zeit steckte Boardman eine in seinen Mund. Rawlins stand eine lange Weile im Eingang, bevor Boardman von seiner Anwesenheit Notiz nahm.
»Ich sagte Ihnen, dass Sie nicht hierherkommen sollten, Rawlins«, murrte er endlich.
Rawlins trat an den Tisch und legte die Feldflasche neben die Weinkaraffe. »Von Müller«, sagte er.
»Wir hätten auch ohne diesen Besuch sprechen können.«
»Ich habe diese unpersönlichen Funksprechkontakte satt«, erwiderte Rawlins trotzig. »Ich muss selbst kommen.«
Boardman ließ ihn stehen und unterbrach seine Mahlzeit nicht.
»Boardman, ich glaube nicht, dass ich die Täuschung länger aufrechterhalten kann.«
Boardman wischte sich über die Lippen und griff zum Weinglas. »Sie haben heute ausgezeichnete Arbeit geleistet«, sagte er. »Es war überzeugend.«
»Ja, ich lerne allmählich, Lügen an den Mann zu bringen. Aber was nützt es? Sie haben ihn gehört. Die Menschheit kotzt ihn an. Selbst wenn es uns gelingen sollte, ihn aus dem Labyrinth zu locken, wird er nicht mit uns zusammenarbeiten.«
»Er ist nicht aufrichtig. Sie sagten es selbst. Studentenzynismus. Der Mann liebt die Menschheit. Darum ist er so verbittert – weil die Menschenliebe ihm im Mund sauer geworden ist. Aber sie ist nicht wirklich zu Hass geworden.«
»Sie waren nicht dort. Sie haben nicht mit ihm gesprochen.«
»Ich habe beobachtet und zugehört. Und ich kenne Richard Müller seit dreißig Jahren.«
»Die letzten neun Jahre sind diejenigen, die zählen. Sie haben ihn verändert.« Rawlins musste sich vorwärtsbeugen, um Boardman in die Augen zu sehen. Boardman dachte nicht daran, ihm eine Sitzgelegenheit anzubieten; er spießte eine kandierte Birnenhälfte auf seine Gabel und steckte sie in den Mund. Er ignoriert mich absichtlich, dachte Rawlins gereizt.
Er sagte: »Machen wir uns nichts vor. Ich bin hingegangen und habe Müller ein paar ungeheuerliche Lügen aufgebunden. Ich habe ihm in betrügerischer Absicht eine völlig unmögliche Heilung angeboten, und er hat sie zurückgewiesen.«
»Und gesagt, dass er nicht an die Möglichkeit einer Heilung glaube. Aber er glaubt an sie, Ned. Er hat einfach Angst, aus dem Versteck zu kommen.«
»Bitte. Hören Sie zu. Angenommen, er kommt dahin, dass er mir glaubt. Angenommen, er verlässt das Labyrinth und legt sein Schicksal in unsere Hände. Was dann? Wer übernimmt die Aufgabe, ihm zu sagen, dass es keine Heilung gibt, dass wir ihn schamlos betrogen haben, dass wir ihn bloß wieder zu einem Haufen von fremden Intelligenzen schicken wollen, die zwanzigmal so unheimlich und fünfzigmal so tödlich sind wie diejenigen, die sein Leben ruiniert haben? Ich werde ihm diese Neuigkeiten nicht beibringen, soviel ist klar!«
»Sie brauchen es nicht zu tun, Ned. Ich werde das machen.«
»Und wie wird er reagieren? Erwarten Sie vielleicht, dass er lächeln und eine Verbeugung machen und sagen wird: Sehr schlau, lieber Boardman, Sie haben es wieder hingekriegt? Dass er nachgeben und tun wird, was immer Sie von ihm wollen? Das kann er nicht. Sie können ihn vielleicht aus dem Labyrinth holen, aber die Methoden, mit denen Sie das bewerkstelligen, schließen jede Möglichkeit aus, dass er Ihnen von irgendwelchem Nutzen sein wird, sobald er draußen ist.«
»Das ist nicht notwendigerweise wahr«, antwortete Boardman
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