Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
Menschheit zur Hölle fahren lassen. Ja?«
»Reden Sie nicht so«, sagte Rawlins.
»Warum nicht? Dies sind meine Möglichkeiten. Sie waren freundlich genug, mich über die wirkliche Situation aufzuklären, und nun kann ich reagieren, wie ich will. Sie haben mir ein Todesurteil überbracht, Ned.«
»Nein.«
»Was gibt es sonst? Soll ich mich wieder ausnützen lassen?«
»Sie könnten mit Boardman zusammenarbeiten«, sagte Rawlins, nervös seine Lippen befeuchtend. »Ich weiß, es klingt verrückt. Aber Sie könnten ihm zeigen, aus welchem Holz Sie geschnitzt sind. Vergessen Sie all diese Bitterkeit, so berechtigt sie sein mag. Halten Sie die andere Wange hin. Erinnern Sie sich; dass Boardman nicht die Menschheit ist. Es gibt Milliarden unschuldiger Menschen …«
»Jeder einzelne von diesen Milliarden würde vor mir weglaufen, wenn ich in seine Nähe käme.«
»Was ist dabei? Sie können nichts dafür. Aber sie sind Ihre Mitmenschen!«
»Und ich bin ihr Mitmensch. Sie dachten nicht daran, als sie mich ausstießen.«
»Das ist unvernünftig.«
»Mag sein, dass ich unvernünftig bin. Und ich habe nicht vor, jetzt mit Vernunft anzufangen. Angenommen, es könnte das Schicksal der Menschheit verändern, wenn ich als Botschafter zu diesen Fremden ginge – und ich kaufe Boardman diese Idee durchaus nicht ab –, dann würde es mir großes Vergnügen bereiten, mich um diese Pflicht zu drücken. Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Warnung. Nun, da ich endlich weiß, was hier vorgeht, habe ich die Entschuldigung, nach der ich die ganze Zeit Ausschau gehalten habe. Ich kenne hier tausend Orte, wo der Tod schnell und wahrscheinlich nicht schmerzhaft sein wird. Dann kann Charles Boardman selber mit den Fremden verhandeln. Ich …«
»Bitte keine Bewegung, Müller«, sagte Boardman von einer Stelle ungefähr dreißig Meter hinter ihm.
Kapitel 46
Boardman fand die ganze Sache ärgerlich. Aber es war auch notwendig, und er war nicht sehr überrascht, dass die Ereignisse diese Wendung genommen hatten. In seiner ursprünglichen Analyse hatte er zwei Möglichkeiten von gleicher Wahrscheinlichkeit in Erwägung gezogen: dass es Rawlins gelingen würde, Müller aus dem Labyrinth zu locken, und dass Rawlins schließlich rebellieren und die Wahrheit sagen würde. Er war auf beides vorbereitet.
Nun war Boardman ins Zentrum des Labyrinths vorgestoßen, um Rawlins zu folgen, bevor der Schaden irreparabel würde. Er konnte eine von Müllers möglichen Reaktionen voraussehen: Selbstmord. Müller würde niemals aus Verzweiflung Selbstmord begehen, aber er war imstande, es als Vergeltung zu sehen. In Boardmans Begleitung waren Ottavio, Walter, Reynolds und Greenfield. Hosteen und die Männer der Schiffsbesatzung beobachteten die Aktion von draußen. Boardman und seine Begleiter waren bewaffnet.
Müller wandte sich um. Sein Gesichtsausdruck war nicht leicht zu ertragen.
»Es tut mir leid, Müller«, sagte Boardman. »Wir mussten dies tun.«
»Sie haben überhaupt kein Schamgefühl, nicht wahr?«, fragte Müller.
»Nicht, wenn es um das Wohl der Erde geht.«
»Das erkannte ich schon vor langer Zeit. Aber ich dachte, Sie seien menschlich, Boardman. Ich begriff nicht, bis in welche Tiefen Ihre brutale Rücksichtslosigkeit hinabreicht.«
»Ich wünschte, wir brauchten dies alles nicht zu tun, Müller. Aber wir tun es. Kommen Sie mit uns.«
»Nein.«
»Sie können sich nicht weigern. Rawlins hat Ihnen erzählt, was auf dem Spiel steht. Wir schulden Ihnen bereits mehr als wir jemals zurückzahlen können, aber lassen Sie das Schuldkonto noch ein wenig ansteigen. Bitte.«
»Ich verlasse Lemnos nicht. Ich fühle mich der Menschheit nicht verpflichtet. Ich werde Ihre Arbeit nicht tun.«
»Müller …«
Müller sagte: »Fünfzig Meter nordwestlich von mir ist eine Todesfalle. Ich brauche nur hinüberzugehen, und fünf Sekunden später wird es keinen Richard Müller mehr geben, und die Erde wird nicht schlechter daran sein als sie es war, bevor ich meine spezielle Fähigkeit erwarb. Da Sie diese Fähigkeit zuvor nicht zu würdigen wussten, sehe ich keinen Grund, warum ich sie Ihnen jetzt nutzbar machen sollte.«
»Wenn Sie sich töten wollen«, sagte Boardman, »warum warten Sie dann nicht noch ein paar Monate?«
»Weil mir nichts daran liegt, Ihnen oder der Menschheit einen Dienst zu erweisen.«
»Das ist kindisch. Eine Schwäche, die ich Ihnen nie zugetraut hätte.«
»Es war kindisch von mir, von Sternen zu träumen«,
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