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Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Titel: Exil im Kosmos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ich gab ihm die Waffe.«
    Boardman zuckte mit der Schulter. »Er kommt mit uns; er tut, was wir von ihm wollten. Das allein zählt.«
    Rawlins wurde rot. »Und wenn er sich selbst getötet hätte – oder Sie?«
    »Er hätte weder das eine noch das andere getan.«
    »Das können Sie jetzt sagen. Aber in dem ersten Moment, als er die Waffe in der Hand hielt …«
    »Nein«, sagte Boardman. »Ich sagte Ihnen schon früher, dass wir den Hebel bei seinem Ehrgefühl ansetzen würden. Das haben Sie getan. Sehen Sie, hier stehe ich, der skrupellose Agent einer brutalen und amoralischen Gesellschaft. Und ich bestätige Müllers schlimmste Gedanken über die Menschheit. Warum sollte er einem Stamm von Wölfen helfen? Und da sind Sie, feinfühlig und mit intaktem Gewissen, voll von Hoffnungen und Träumen. Sie erinnern ihn an die Menschheit, der er einst gedient hat. Sie versuchten moralisch zu handeln in einer Welt, die keine Spur von Moral hat. Sie demonstrieren Sympathie, Liebe zu einem Mitmenschen, die Bereitschaft, für das moralisch Richtige einzustehen. Sie zeigen Müller, dass es immer noch Hoffnung für die Menschheit gibt. Sehen Sie? Sie stellen sich gegen mich, geben ihm eine Waffe und machen ihn zum Herrn der Lage. Er könnte das Naheliegende tun und uns töten. Er könnte das etwas weniger Naheliegende tun und sich selbst töten. Oder er könnte Ihre Geste mit einer eigenen beantworten, einen Akt vorsätzlicher Selbstentsagung begehen und seine moralische Überlegenheit beweisen. Das tut er. Er wirft die Waffe fort. Sie waren wichtig für uns, Ned. Sie waren das Instrument durch das wir ihn gewannen.«
    »Es klingt nicht gut, wie Sie es herausbringen, Boardman«, sagte Rawlins mürrisch. »Als ob Sie selbst das geplant hätten. Als ob Sie mich mit Berechnung so weit getrieben hätten, dass ich ihm die Waffe gab. Als ob Sie gewusst hätten, dass er …«
    Boardman lächelte.
    »Wollen Sie das vielleicht behaupten?«, fragte Rawlins mit unvermittelter Heftigkeit. »Nein, nicht im Ernst. Sie können alle diese Wendungen nicht vorher einkalkuliert haben. Nun versuchen Sie sich nachträglich damit zu schmücken, Sie hätten alles vorausgesehen und gelenkt. Aber ich sah Sie in dem Moment, als ich ihm die Waffe reichte. Angst war in Ihrem Gesicht, und Wut. Sie waren keineswegs sicher, was er tun würde. Erst als die Ereignisse eine in Ihrem Sinn glückliche Wendung nahmen, konnten Sie behaupten, es sei alles nach Ihrem Plan abgelaufen. Ich durchschaue Sie, Boardman!«
    »Wie angenehm, so durchsichtig zu sein«, sagte Boardman breit lächelnd.

Kapitel 49
     
    Das Labyrinth schien nicht interessiert, sie zu halten. Vorsichtig arbeiteten sie sich hinaus, aber sie begegneten keinen ernsten Gefahren.
    Am nächsten Abend waren sie an Bord des Schiffes. Boardman gab Müller eine Einzelkabine im Bug, ein gutes Stück entfernt von den Mannschaftsquartieren. Müller schien es als eine Notwendigkeit zu begreifen, die nicht nur durch seinen Zustand bedingt war; nach den langen Jahren der Einsamkeit fiel es ihm schwer, sich an die Gegenwart anderer zu gewöhnen. Er war wortkarg und in sich gekehrt; oft spielte ein ironisches Lächeln um seine Lippen. Aber er machte ihnen keine Schwierigkeiten.
    Hosteen und seine Leute beeilten sich mit den Startvorbereitungen. Müller blieb in seiner Kabine, wo er auch aß. Am zweiten Tag ging Boardman zu ihm. Er fühlte sich zu einer fürsorglichen Geste verpflichtet.
    Sie saßen einander gegenüber, und während Boardman sich nach Art eines Gastgebers höflich nach dem Befinden und den Wünschen des anderen erkundigte und ihn zum Schluss seiner Dankbarkeit versicherte, blieb Müller stumm und abwartend, ohne erkennbare Gemütsbewegung. Zuletzt sagte er: »Ersparen Sie sich die Worte.«
    »Es macht mir nichts aus, wenn Sie mich verabscheuen«, sagte Boardman unbehaglich. »Ich tat, was ich zu tun hatte. Und auch Sie werden es tun. Selbst Sie konnten nicht vergessen, dass Sie trotz allem einer der unsrigen sind.«
    »Ich wünschte, ich könnte es.«
    »Das sollten Sie nicht sagen. Es ist billige, glatte Bitterkeit, Müller. Wir sind beide zu alt für emotionale Vereinfachungen. Das Universum ist ein gefährlicher Ort. Wir tun unser Bestes. Alles andere ist im Moment unwesentlich.«
    Die Enge der Kabine zwang ihn, Müllers Nähe auszuhalten. Die Ausstrahlung traf ihn mit immer neuen Breitseiten, Wellen von Verzweiflung und hoffnungsloser Trauer, die ihm das Gefühl gaben, tausend Jahre alt zu sein.

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