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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sind, der Parteigenosse hat die eine unter den langen Rock gesteckt, die andere hält er geballt, aber Wiesener weiß genau, wie sie ausschauen, und er will nicht in diese Hände fallen, er will nichts mit diesen Händen zu tun haben. Vor die Wahl gestellt, ob er sich schonen soll oder die Herren Emigranten, schont er lieber sich. Der Parteigenosse erwartet von ihm brauchbare Vorschläge zur Erledigung der »P. N.«; durch solche Vorschläge allein kann er seine Loyalität und seine Fähigkeiten erweisen. Jetzt, in dieser Situation, auf das Lamm des Armen Rücksicht zu nehmen, das wäre nicht mehr Anständigkeit, das wäre einfach verbrecherische Blödheit.
    »Man könnte«, meinte er nachdenklich, »den Emigranten und ihrer Presse das Wasser abgraben. Viel Wasser haben sie sowieso nicht. Ihre Geldquellen fließen spärlich, es kann nicht schwer sein, sie vollends zu verstopfen. Das ist nicht heldisch, aber gegen Ungeziefer kann man nicht heldisch vorgehen.«
    Heydebreggs stumpfe, weißliche Augen waren nach wie vor starr auf Wiesener gerichtet. »Stimmt«, konstatierte er, »gegen das sogenannte Ungeziefer ist jedes Mittel recht.«
    Sosehr Wiesener sich mühte, er konnte den Blick des andern nicht mehr ertragen. Er hob das Aug höher zu der holden, leichtfertigen Nacktheit der Miß O’Murphy. Da kam ihm plötzlich, scheinbar weitab und dennoch sehr naheliegend, ein Gedanke. Was er damals auf dem Bierabend der Botschaft dunkel gespürt hatte, daß nämlich in der Stärke des Parteigenossen, in seinem Puritanertum, auch seine Schwäche lag, wurde ihm nun Gewißheit. Damals, bei dem Empfang in der Botschaft, hatte der Mann von den sogenannten Pariser Vergnügungen und Lastern gesprochen wie eine Pastorstochter, schockiert und gelockt zugleich. So einer, mit seiner protestantisch ledernen Art, widersteht zehn Versuchungen, um auf die elfte um so gründlicher hereinzufallen. Nach dem Fall hat man ihn dann in der Hand. Es gilt, den zugeknöpften Herrn in Versuchungen zu führen, diese Versuchungen natürlichstreng verurteilend. »Wenn man die Emigranten wirksam bekämpfen will«, tastete sich Wiesener vor, »dann muß man ergründen, warum ihre Propaganda gerade in Paris solchen Erfolg hat, das heißt, man muß das Terrain sondieren, das Pariser Milieu, vor allem die Salons.«
    Doch Heydebregg ging darauf nicht ein. »Ich darf also«, sagte er vielmehr trocken, dienstlich, »detaillierte Vorschläge von Ihnen erwarten, Parteigenosse Wiesener, wie man den Emigranten das sogenannte Wasser abgraben kann.« Dann aber änderte sich seine Miene. Er beschaute Wiesener wohlwollend, die starke, breite Stirn, das dichte, blonde Haar, den langen, gutgeschnittenen Mund, die grauen, gescheiten Augen. Parteigenosse Heydebregg begann zu lächeln; ja, es war kein Zweifel, ein kleines Lächeln zerstückte sein starres Gesicht in mehrere Teile. Heydebregg war durchdrungen vom Glauben an die nationalsozialistische Rassentheorie. Natürlich durfte man diese Lehre nicht zu eng auffassen, man durfte nicht das Körperliche allein als Kriterium betrachten; denn wie hätte sonst der Führer der Führer werden können und Goebbels Minister? Immerhin hob es einem das Herz, wenn man so erstklassige Repräsentanten der nordischen Rasse sah wie diesen Wiesener. »Und was das Pariser Milieu anlangt«, fuhr er gnädig fort, mit einem Versuch zu scherzen, »dessen Studium Sie mir empfehlen, so scheinen Sie selber mir auf diesem Gebiet der rechte Mentor zu sein, junger Mann.« – »Ich glaube, mein Paris zu kennen«, erwiderte bescheiden stolz Wiesener, »und es wäre mir eine Freude, Ihnen den einen oder andern jener Zirkel zu erschließen, von denen man sonst wenig hört, die aber stärkeren Einfluß haben, als man denkt.« – »Ich danke Ihnen«, sagte auf seine förmliche Art Heydebregg, »ich werde Sie vielleicht gelegentlich darum bitten.«
    Wiesener, als er den Parteigenossen in dem kleinen, blauen, zierlichen Rokokosalon zurückließ, war gespaltenen Gefühls. Die gefährliche Entgleisung, die er sich in seiner Gedankenlosigkeit erlaubt hatte, war glimpflicher abgelaufen,als es zuerst den Anschein hatte, und sein Plan, Heydebregg aufzulockern, zu depravieren, schien ihm nicht aussichtslos. Eine Wolke aber trübte seinen Himmel: diese verdammten, detaillierten Vorschläge, die er ausarbeiten sollte. Hinauszögern konnte er den Auftrag, aber einmal mußte er an das Lamm des Armen heran. Der Parteigenosse war nicht der Mann, seine sogenannte

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