Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]
Sendung und seinen Auftrag zu vergessen.
Nachdem Wiesener einmal die Idee gekommen war, den Puritaner Heydebregg in Versuchung zu bringen, arbeitete er, Projektenmacher und Konstrukteur, der er war, eine kunstgerechte Methode zur Durchführung seines Planes aus. Die erste Frage war die, mit welchen Kreisen er Heydebregg in Berührung bringen sollte. Es mußte einwandfrei gute Gesellschaft sein, es durfte dort nicht zu leichtfertig hergehen, doch auch nicht zu seriös. Ein Stich mußte da sein, aber die Fäulnis durfte nicht stinken, sie mußte verlockend wirken, wie Parfüm.
Wie wäre es, wenn er den Parteigenossen bei Lea einführte?
Zuerst lachte er sich selber aus. Heydebregg wird von seiner Verbindung mit Lea noch früh genug hören. Soll er ihn selber darauf stoßen? Gerade das lockte ihn. Hatte er Heydebregg erst einmal bei Lea eingeführt, dann war die schlimmere Hälfte der Gefahr überwunden. Die Vorstellung, die geschmeidige, damenhafte Lea mit dem schwerfälligen, steifen Heydebregg zusammen zu sehen, zog ihn an. Schon sah seine rasche Phantasie die beiden vor sich. Wieder und wieder stieg dieses Bild in ihm hoch, es hielt ihn besessen. Und da er es wünschte, fand er schnell auch logische Argumente, die dafür sprachen, zwischen Lea und dem Parteigenossen Verbindung herzustellen. Wenn er Lea in sein Projekt hineinverflocht, wälzte er so nicht die halbe Verantwortung auf sie ab? War es dann nicht auch viel leichter, sich vor ihr zu verantworten, wenn wieder das Lamm des Armen zur Sprache kommen sollte? Er spürte den Reiz und die Angst des Spielers, der einen Einsatz wagt, weitüber seine Mittel. In der Historia Arcana notierte er, er komme sich vor wie der Intrigant einer alten französischen Komödie.
Lea für seine Idee zu gewinnen schien ihm nicht schwer. Ein bißchen extravagant war Madame de Chassefierre immer gewesen; einen waschechten Nazibonzen, Sonderbeauftragten des Führers, bei sich zusehen, mußte eine Sensation für sie sein. Als er ihr aber, beiläufig, vorschlug, Herrn Heydebregg einzuladen, lehnte Lea ab. Sie verspüre, meinte sie, wenig Appetit auf den Herrn. Es mache ihr keinen Spaß, exotische Fürsten und dergleichen bei sich zu sehen. Auch reize es sie nicht, vor aller Welt zu plakatieren, daß sie Verbindung mit Nazigrößen habe. Marieclaude habe ihr erzählt, daß man sie sowieso schon Notre-Dame-des-Nazis nenne. Sie möchte nicht noch mehr dazu beitragen, sich diesen Spitznamen zu verdienen. Wenn sie mit ihm, Erich, befreundet sei, dann nicht wegen, sondern trotz seiner Politik. Man könne wohl keine Politik machen, ohne viel Schmutz anzufassen, das begreife sie. Das ändere aber nichts daran, daß vieles von dem, was seine Leute anstellten, sie degoutiere; jedenfalls lehne sie für ihre Person ab, sich an seiner Politik zu beteiligen.
Man saß beim Frühstück. Sie schaute unwillkürlich hinauf zu dem Stilleben, das ihr gegenüber an der Wand hing. Sie wünschte sich keine weiteren solchen Geschenke.
Nachdem Wiesener ein so wenig geneigtes Ohr bei ihr gefunden, ließ er das Thema sogleich fallen. Er schwatzte harmlos weiter, von anderem; allein wie man durch Salz, auch wenn die Menge sehr klein ist, den Geschmack einer Speise ändert, so ließ er Lea durch all seine Höflichkeit und Liebenswürdigkeit hindurch seine Verstimmung spüren. Sie aber, nicht minder geschickt als er, bezeigte durch nichts, daß sie davon was merke, und es war an diesem Tag zwischen ihnen von Heydebregg nicht mehr die Rede.
Für Wiesener war die Sache damit nicht abgetan. Er gebrauchte jetzt eine Taktik, mit der er schon mehrmals in ähnlichen Fällen Erfolg gehabt hatte. Er blieb untadelig liebenswürdig,doch enthielt er sich jeglicher Intimität, und das so geschickt, daß das Zugesperrte, Störrische seines Verhaltens nie greifbar wurde. Lea, offenherzig und gutmütig von Natur, pflegte dieser Taktik nicht lange standzuhalten.
Auch jetzt gab sie bald klein bei. Man hatte, nach einem Besuch der Oper, bei Lea gegessen. Da, als er ihr, auch an diesem Abend wieder, eine Partie Schach vorschlug, fragte sie, ob er nicht bald Schluß machen werde mit dem dummen Geschmolle. Könne er denn nicht wenigstens gewisse Bezirke seines Lebens von der Politik frei halten? Sie wolle nun einmal mit seiner Politik nichts zu tun haben. Und dieser Besuch seines Monsieur Heydebregg sei Politik, das könne er doch nicht leugnen.
Und ob er das leugne, erwiderte Wiesener. Nicht mit dem leisesten Gedanken habe er an
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