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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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entschloß, in seiner Wohnung oder irgendwo sonst in Gesellschaft einiger vertrauter Freunde die Aufführung anzuhören, da wollte er gerne kommen. Und büßte Sepp auf diese Art die Möglichkeit ein, die Musik rein zu hören, unverzerrt vom Apparat, so hörte er sie andernteils genauso wie die vielen tausend Nichtbevorzugten, wie die Durchschnittshörer.
    Wo es sich um ihren Sepp handelte, war Anna geltungssüchtig, und Riemanns Zusage war ihr eine wichtige gesellschaftliche Bestätigung. Sogleich, noch am Abend von Riemanns erstem Besuch, war ihr die Idee gekommen, ein paar Leute einzuladen, ihnen bei dieser Uraufführung Gesellschaft zu leisten, wie das in Deutschland selbstverständlich gewesen wäre, und sie freute sich auf den Glanz, den die Anwesenheit Riemanns einem solchen Zusammensein verleihen mußte.
    Als sie daranging, ihre kleine Gesellschaft vorzubereiten, bekam sie wieder einmal schmerzhaft den Unterschied zuspüren zwischen ihrem Heute und ihrem Gestern. Wie ernsthaft und gleichzeitig behaglich hätte sie einen solchen Abend in ihrem Berliner oder in ihrem Münchner Haus machen können. Hier in Paris hatte man kein Zuhause. Wo sollte man die rechten vier Wände hernehmen, den rechten Rahmen, um so was wie Zusammengehörigkeit herzustellen? Hier zerfloß alles in vager Unpersönlichkeit. Sie kam schließlich auf den Ausweg, sich das Sonderzimmer eines Cafés reservieren zu lassen, wo Trautwein und seine Freunde manchmal zu politischen Aussprachen zusammenkamen. Es war ein kahler, nüchterner Raum, dennoch hoffte sie, so etwas wie Atmosphäre schaffen zu können.
    Es kostete auch Kopfzerbrechen, die richtigen Hörer zusammenzubringen. Sepp zeigte wenig Interesse für die Veranstaltung. Wenn sie ihn fragte: »Soll ich den einladen oder jenen?«, dann erwiderte er: »Ach, mach das doch, wie du willst.« Sie wollte Wohlgemuth bitten, Elli Fränkel, das Ehepaar Simmel, die Pereyros. Die Gäste, die Sepp schließlich eingeladen wissen wollte, waren etwas bedenklich. Er wünschte sich den alten, guten Ringseis, dann Peter Dülken, den Volontär an den »P. N.«, der sehr musikalisch war, vor allem aber, und das beunruhigte Anna ernstlich, Tschernigg und Harry Meisel. Als sie gegen diese beiden letzten leise Einwände erhob, wurde er sogleich heftig. Sein Freund Tschernigg sei schließlich an den »Persern« nicht ganz unbeteiligt, und Harry Meisel habe mehr Gefühl für Musik als die ganze übrige Blase zusammen. Behutsam führte Anna an, Riemann habe ihnen zuliebe Proben abgesagt, man schulde ihm einige Rücksicht, und es sei sehr möglich, daß Tschernigg und Harry Meisel, unbeherrscht, wie sie nun einmal seien, den korrekten, maßvollen Herrn peinlich störten. Doch Trautwein erklärte querköpfig, auf Menschen, welche sich durch die Anwesenheit Tscherniggs oder Harry Meisels gestört fühlten, verzichte er. Anna fand sich also darein.
    Es gelang ihr wirklich, den tristen Raum ein bißchen behaglicher zu machen. Sie probierte die Akustik aus, sie trafMaßnahmen, zu verhindern, daß zuviel Lärm von außen eindringe, und sie stellte ein abwechslungsreiches Buffet zusammen. Billig war das nicht; aber Monsieur Pereyro hatte ihr versprochen, aus den Rundfunkleuten ein hohes Honorar herauszupressen.
    Dann also kam der Abend. Man versammelte sich programmgemäß, und es klang, endlich, die Musik auf, die aufklingen zu machen Anna so viele Mühe auf sich genommen hatte. Sie erinnerte sich der unzähligen Laufereien zu Pereyros, zu den Rundfunkleuten, des vielen Gelächels, der Myriaden freundlicher Worte, die sie sich hatte abzwingen müssen, wo sie am liebsten geschimpft und geflucht hätte. Sie erinnerte sich des bittern Abends, an dem sie Sepp hatte allein lassen müssen. Aber jetzt wurde ihr das alles herrlich vergolten, jetzt klang sie auf, die Musik ihres Sepp, das Werk seines Lebens, jetzt zeigte es sich, daß sie keine Närrin gewesen war, die ihre Hoffnung auf eine Null gesetzt hatte. Mit Inbrunst hörte sie auf die Musik, die aus dem Apparat kam. Sepp hatte sie ihr oft vorgespielt; aber was waren die Andeutungen des Flügels oder des Pianos, verglichen mit der Fülle des Orchesters.
    Auch die andern, die in dem kleinen Raum versammelt waren, die Simmel und Pereyro und Wohlgemuth und Elli Fränkel, waren geschulte Hörer, sie verstanden mit Anteilnahme zu lauschen, mit Hingabe, und ohne einander zu stören. Mit einer Befriedigung, die ihren eigenen Genuß an der Musik steigerte, sah Anna auf ihren

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