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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Josef Süß Oppenheim, genannt Jud Süß, an John Law und Cecil Rhodes und Henry Ford und John D. Rockefeller, an den listenreichen Ulysses und an den Patriarchen Jakob. So wie Jakob den räuberischen, gewalttätigen Laban hereinlegte durch das schlaue, segensreiche Geschäft mit den Lämmern, so wird Herr Gingold den Hitler und seine Urbösen hereinlegen.
    Herr Gingold ist zu Ende, ein Schweigen von zwei Minuten entsteht, dann beginnen Benedikt Perles und Nachum Feinberg gleichzeitig zu reden. Über das Wesentliche ist man einig, darüber verliert man keinen Atemzug, aber eine vielwortige Debatte entspinnt sich über Einzelheiten. Man gestikuliert, Herr Perles nimmt seinen Zwicker ab und setzt ihn wieder auf, Herr Feinberg läßt seine mächtigen Augen strahlen, man streitet erbittert. Zwischen Feinberg und Perles besteht Rivalität; man will einander und vor allem Herrn Gingold beweisen, daß man den schärferen Kopf hat.
    Dann, bald, taucht das Problem auf, um das es in Wahrheit geht. »Auf alle Fälle«, meint Benedikt Perles, und sein Mündchen mit dem flotten Schnurrbart stößt unternehmungslustig gegen Herrn Gingold vor, »werde ich es jetzt in Berlin viel leichter haben.« – »Bist du meschugge?« schreit ihn Herr Gingold an. »Glaubst du, ich lasse dich zurück nach Berlin? Daß die Urbösen dich einsperren?«
    Nachum Feinberg wäre brennend gern an Stelle von Benedikt Perles nach Berlin gefahren. Dort, im Kampf gegen die Nazi, hätte er sich bewähren, hätte er zeigen können, was alles in ihm steckte. Natürlich ließ er von diesen seinen wahren Motiven nichts verlauten. Er gab nur höflich und wortgewandt zu bedenken, wieviel dafür sprach, daß künftighin in Berlin er, der Ungefährdete, Herrn Gingolds Interessen wahrnehme und nicht Perles. Man mußte ernsthaft damit rechnen, daß die Urbösen Herrn Perles einsperrten, man mußte dann große Gelder aufwenden, um ihn wieder freizukriegen, und diese Spesen, auf die ein beträchtlicher Teil des ganzen Verdienstes an dem Geschäft draufgehen konnte, fielen von vornherein weg, wenn er, Feinberg, nach Berlin ging. Gingold stimmte ihm lebhaft zu. Aber er war, das wußte Feinberg, ein nachgiebiger Vater. Benedikt Perles wird natürlich seine Frau vorschicken, Herr Gingold wird den Beschwörungen seiner Tochter Ida nicht widerstehen können, und gegen alle geschäftliche Vernunft und gegen das bessere Wissen und die Wünsche Herrn Gingolds selber wird am Ende doch Benedikt Perles nach Berlin gehen.
    Vorläufig freilich sah es aus, als werde Nachum Feinberg Sieger bleiben. Herr Gingold wiederholte unter beträchtlichem Stimmaufwand, keine Macht der Erde werde ihn dazu bewegen, seine Kinder nach Berlin zurückzulassen, und Herrn Perles’ Widerspruch verstummte. Allein der Kampf mit den Nazi war der Inhalt seines Lebens, und in seinem Innern dachte er nicht daran, sich daraus zurückzuziehen.
    Herr Gingold hatte Perles und Feinberg natürlich eingeschärft, auch innerhalb der Familie über sein Geschäft mit den Nazi Schweigen zu bewahren. Aber er rechnete damit, daß sie sein Gebot brechen würden, und war nicht weiter erstaunt, als noch am gleichen Tag Ida ihn bestürmte, sie und Benedikt nach Berlin zurückzulassen. Er lehnte heftig ab, mit viel Geschrei. Allein sein Widerstand bestärkte Ida nur in dem ihren. Der Pianistin Ruth hinwiederum gefielen die sanften und mächtigen Augen Feinbergs, sie intervenierte fürihn bei ihrem Vater. Der altkluge Sigbert, der Student, gönnte seinem Schwager Benedikt nicht, daß der in Berlin zum Helden und Märtyrer werde; auch er trat für Feinberg ein. Melanie hinwiederum nahm Partei für Benedikt. So war jetzt das Haus Gingold zerspalten und erfüllt von noch wilderem Gekeif als sonst, vor allem während der Mahlzeiten. Gingold, Feinberg, Perles, Ida, Ruth, Melanie, Sigbert, alle äußerten umständlich, laut, und gewöhnlich zu zweien oder dreien gleichzeitig, ihre Meinung. Sie hatten allesamt einen beweglichen Verstand, rasch glitt man von einem Gebiet auf andere und wurde unsachlich. »Überhaupt du«, hieß es, und hatte man soeben noch die Frage erörtert, ob es zweckmäßiger sei, Benedikt Perles nach Berlin zu schicken oder Nachum Feinberg, so entwarf man einen Augenblick später unfreundliche Charakteranalysen voneinander. Dabei übertrieb man maßlos und scheute, nur um im Augenblick recht zu behalten, vor keiner Verleumdung zurück. Wenige Sekunden später, ebenso plötzlich, trat wieder tiefster Friede ein,

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