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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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daß irgendein Polizeibürokrat sich säuisch benimmt? Ich denke, dazu sind wir aus Deutschland fortgegangen, daß wir sagen, was ist. Dazu haben wir dieses Blatt aufgemacht. Wenn wir jedes Wort vorher sechsmal umdrehen sollen, ehe wir es drucken, dann machen wir besser den Laden zu.«
    »Bitte, schreien Sie nicht, lieber Heilbrun«, sagte Gingold mit fatalem Grinsen. »Ich höre ganz gut, und die Lautstärke, mit der ein Argument vorgebracht wird, erhöht nicht seine Durchschlagskraft.« Aber er hatte aus Heilbruns Worten die Echtheit herausgehört und hatte erkannt, daß diese holländische Sache ein ungeschickter Start war. Da war kein Weiterkommen, er mußte was Besseres finden. Er schaute auf dieUhr, es war Freitagnachmittag, bald begann der Sabbat, er mußte in den Gottesdienst. Er war froh, vor Heilbrun und vor sich selber einen Vorwand zu haben, die Unterredung zu beenden.
    Er fuhr in die Synagoge, ein Gotteshaus, zu dessen Unterhalt er ansehnliche Summen beisteuerte. Mit andächtigem Eifer beteiligte er sich an den Gebeten und Gesängen, den Sabbat zu preisen. »Komm, mein Geliebter, entgegen der Braut, laß uns das Angesicht des Sabbats empfangen«, sang und betete er mit den andern. Mit dem Sabbat fielen die dummen, kleinen Sorgen des Alltags von ihm ab, und die Niedertracht, mit der man diesem Alltag begegnen mußte.
    Er ging nach Haus, er legte seinen Kindern die Hand auf die Scheitel und segnete sie, daß sie werden möchten wie Manasse und Ephraim und wie Rahel und Lea, er ergötzte sich an den sabbatlichen Lichtern, er sprach die vorgeschriebenen Lobsprüche über den Wein und das sabbatliche Brot und freute sich des Bewußtseins, auf vierundzwanzig Stunden ein freier und anständiger Mensch zu sein, seiner selbst sicher, seiner Welt und seines Gottes, gerecht und gesegnet.
14
Was Neues aus Afrika?
    Gustav Leisegang erstattete Wiesener Rapport über seine Verhandlungen mit Gingold. Er habe, berichtete er, den Verleger Gingold ein bißchen unter Druck gesetzt. »Ich glaube«, meinte mit leiser Ungeduld Wiesener, »noch mehr Druck könnte nicht schaden.« – »Ich stehe zu Ihren Diensten«, antwortete Leisegang.
    Hinterher ärgerte sich Wiesener über seine Order. Der Chef der Inseratenagentur Gellhaus & Co. war ein erprobter Mann und verstand von seinem Geschäft mehr als seine Auftraggeber. Er wußte von allein, wann Zucker anzuwenden war undwann die Peitsche. Warum also hatte er, Wiesener, ihm diese überflüssige Weisung gegeben, die nach verblümtem Tadel schmeckte?
    Er hat es nur getan, weil ihm Spitzis Gerede von der Langwierigkeit seines Unternehmens nicht aus dem Kopf geht. Dabei ist dies Gerede doch abgetan. Heydebregg hat sich von Spitzi nicht aufhetzen lassen, er hat sich darauf eingestellt, daß man sich geraume Weile werde gedulden müssen, ehe seine, Wieseners, Methode Erfolg zeitige. Aber sowie er an Spitzi denkt, setzt seine Vernunft aus, und er läßt sich von seinem Haß hinreißen. Dieser Spitzi. Er geht im Wortsinn über Leichen. Seine Stellung ist untermauert mit Leichen. Er sitzt gewissermaßen auf Leichen. Leichengeruch ist um viele Parteigenossen, und gemeinhin läßt sich Wiesener dadurch nicht stören. Aber im Falle Spitzi ist ihm das Parfüm zu aufdringlich.
    Lange indes hielt Wieseners Ärger über seine Unbesonnenheit vor Leisegang nicht vor. Es ging ihm gut in diesen schönen Tagen des frühen Juni, er fühlte sich wohl. Der Bruch mit Lea war eingerenkt. Heydebreggs war er sicher; das Nilpferd war häufiger Gast in der Rue de la Ferme, der peinliche Zwischenfall mit den »P. N.« war vergessen. Wenn er an die Sache mit Raoul dachte, dann freilich war ihm nicht ganz behaglich. Auch schlich ihn manchmal leise die Besorgnis an, Lea könnte von seinem Plan hören, die »P. N.« unschädlich zu machen. Aber wie sollte sie davon hören? Und selbst wenn etwas zu ihr drang, dann höchstens vages Gerede; er konnte auch dann dreist und überzeugend abstreiten, daß er seine Hände in dieser Angelegenheit habe. Nein, es war alles gut, er konnte sich sein Leben nicht erfreulicher wünschen.
    Er durfte es sich jetzt sogar leisten, seine journalistische und politische Tätigkeit zu vernachlässigen, um sich dafür mit voller Kraft auf seine literarische Arbeit zu werfen. Seine ganze Zeit verbrachte er mit dem »Beaumarchais«. Je mehr er sich in seinen Stoff vertiefte, um so mehr gefiel ihm dieser Mann Beaumarchais, seine Leichtfertigkeit, seine Wendigkeit,sein Talent, sein Werk,

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