Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]
naturalistisch, zu photographisch wurden und nicht jenen Charakter des Bildhaften tragen, den ich anstrebte. Es bleibt dadurch dieser Roman am meisten zurück hinter dem, was ich wollte, er ist am wenigsten der historische Roman geworden, der jeder gute Gegenwartsroman sein müßte. In diesem dritten, letzten Teil aber glaube ich die rechte Mitte gefunden zu haben zwischen dem Hochmut, der mich die Technik des ersten Romans wählen ließ, und dem Kleinmut, der mich veranlaßte, mich im zweiten Roman auf weite Strecken mit naturalistischer Darstellung zufriedenzugeben.
Ich denke, nun, da der Roman-Zyklus zu einem vorläufigen Abschluß gelangt ist, zeigt sich dem Leser deutlich der Bogen, der sich vom ersten Teil »Erfolg« bis zum dritten »Exil« spannt. Und es zeigt sich jetzt ferner gerade durch das Zusammentreffen des Kriegsausbruchs mit dem Abschluß des Zyklus, daß die niedere Wirklichkeit der Fakten derhöheren Wirklichkeit, die ich in dem Zyklus sichtbar zu machen bestrebt war, zumindest nicht widerspricht. Denn so kraus das Ineinander, Nebeneinander, Nacheinander der äußeren Ereignisse manchmal zu sein scheint, wer sehen will, erkennt gleichwohl eine Linie, einen folgerichtigen Ablauf. Und dieser Ablauf deckt sich im großen ganzen mit der Sinngebung, die der Zyklus »Der Wartesaal« der Wirklichkeit unterlegt. So war es vielleicht kühn, daß ich sehr stark das Lächerliche betonte, welches diesem Aufstand der Dummheit gegen die Vernunft und seinen Führern beigemischt war. Aber ich glaube, der Ausbruch des Krieges offenbart mitleidlos die groteske Hohlheit der Phrasen, mit denen dieser Aufstand motiviert wurde, und den grotesken Widerspruch zwischen der Anmaßung seiner Führer und ihrer Begabung. Wer nicht allzu fest an der deprimierenden Tristheit der Einzelgeschehnisse klebenbleibt, muß, so blutig und schauerlich sich viele Einzelheiten ausnehmen, erkennen, daß diesem Kampf gleichwohl von Anbeginn an ein Element hoher Komik anhaftete.
Ich selber bin im tiefsten überzeugt, daß die ungeheure, blutige Groteske, die sich in uns und an uns allen austobt, enden muß mit dem Sieg der Vernunft über die Dummheit. Ich bin überzeugt, daß mir der Ausgang dieses Krieges die Rückkehr nach Deutschland erlauben und mir die Möglichkeit geben wird, den Roman-Zyklus »Der Wartesaal« mit einem Epilog »Rückkehr« zu beschließen. Und ich wünsche herzlich, daß sich auch auf meine Leser die Zuversicht übertrage, mit der ich diesen dritten Roman »Exil« beschlossen habe.
Sanary/Var (Frankreich), Oktober 1939
L. F.
Zu diesem Band
Seit Feuchtwanger 1933 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten im südfranzösischen Sanary ansässig geworden war, mußten seine literarischen Arbeiten andere dringliche neben sich dulden. Der Briefwechsel mit Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Rudolf Olden, Willi Bredel belegt sein tätiges Engagement bei politischen Aktionen und publizistischen Unternehmungen der Emigranten: bei der Herstellung der Volksfront, der Sammlung emigrierter Schriftsteller im PEN, im Schutzverband Deutscher Schriftsteller und beim Zustandekommen der Deutschen Freiheitsbibliothek; bei Hilfsaktionen für Schriftsteller, deren Leben in Deutschland von den Nationalsozialisten bedroht war, schließlich bei der Mitarbeit an der in Moskau herausgegebenen Emigrantenzeitschrift »Das Wort«. Es waren Feuchtwangers aktivste und literarisch sehr produktive Jahre. 1933 hatte er den Roman »Die Geschwister Oppermann« geschrieben, danach den zweiten Band der »Josephus«-Trilogie »Die Söhne« beendet, 1936 den Roman »Der falsche Nero«, 1937, nach einem Besuch der Sowjetunion, »Moskau 1937. Ein Reisebericht für meine Freunde« und 1939 »Exil«. Dazu Essays, Presseartikel, Vorträge (unter anderen »Nationalismus und Judentum«, »Von Sinn und Unsinn des historischen Romans«). Und 1940, kurz bevor er Europa verließ, konnte er den dritten »Josephus«-Band, »Der Tag wird kommen«, abschließen.
Die Absicht, »einen modernen Roman« zu schreiben, hatte er Arnold Zweig schon am 28. September 1934 mitgeteilt; allerdings gab er keinen Hinweis auf Thema oder Stoff. Am 23. März 1937 fragte Zweig bei Feuchtwanger an, ob er »wirklich einen 3. Band von ›Erfolg‹ schreiben« wolle. Zu dieserZeit waren die Vorarbeiten offenbar schon recht weit gediehen, denn im Nachwort datiert Feuchtwanger den Arbeitsbeginn auf das Jahr 1935. Wortwörtlich ist das wohl nicht zu nehmen und vorwiegend als Anfang der
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