Exil
gehe.«
»Das geht ihn doch gar nichts an.«
»Er ist der Botschafter der USA in Tansania«, sagt Jack. »Und ich bin sein Sohn in einem Land, in dem Homosexualität gesetzlich verboten ist. Und es sieht nicht besonders gut aus, dass der Vater meiner besten Freundin ein Söldner ist, der die Machtübernahme auf den Seychellen plant, deren Sicherheit von Tansania garantiert wird.«
»Es tut mir leid, Jack.«
»Mir auch«, sagt er, umarmt mich, geht zum Auto, setzt sich auf den Rücksitz und fährt. Ich gehe ins Haus.
Alison schickt mich zu einem indischen Laden, weil sie vergessen hat, Knabberzeug zu kaufen. Als ich zurückkomme, unterhält sich Victor mit Frans auf der Veranda. Soll ich hinausgehen und ihn ansprechen? Was soll ich sagen? Ich gehe ins Wohnzimmer, bitte den Koch um einen Gin Tonic, zünde mir eine Zigarette an und wippe auf den Fußballen, während ich auf meinen Drink warte. Wie packe ich es an? Eine Hand landet auf meiner Hüfte. Ich drehe den Kopf und puste Rauch aus. Victor. Er lehnt sich neben mir an die Bar.
»Und welche Unterwäsche trägst du heute, Samantha?«
»Wieso glaubst du, ich hätte überhaupt welche an?«, erwidere ich, ziehe an meiner Zigarette und blicke ihn direkt an. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie der Koch mir den Drink hinstellt; ich greife danach und trinke, wobei ich Victor weiterhin in die Augen schaue.
Wir werden zu Tisch gebeten. Ich sitze Victor gegenüber. Soll ich es tun? Oder ist das zu billig? Na und, dann bin ich eben billig. Ich könnte den Fuß über den Boden gleiten lassen, ihn das Hosenbein hinaufführen, seinen Schenkel entlang, bis meine Zehen ihr Ziel erreicht haben.
Die Tür geht auf, und Vater kommt herein – ich lasse den Fuß, wo er ist, auf dem Boden. Stillstand.
Umzug
Wie stelle ich es an, Victor wiederzusehen? Ich weiß nicht, wo er wohnt. Die Luft im Haus ist dick und zäh, alle Geräusche erreichen mich von ganz weit her, wie durch Morast oder Watte. Alison ist schwanger, träge und müde. Sie sagt es nicht, aber ich weiß es genau. Sie ist es leid, dass ich hier bin. Und wenn sie mit Frans glücklich ist, wenn sie über das Kind reden … hören sie auf, sobald ich das Zimmer betrete. Weil ich die Abtreibung hatte. Und wenn sie ihren Bauch streichelt und sagt, das Kleine strampelt – dieser ganze Mist –, gehe ich. Es gehört sich nicht, aber ich kann ihre Freude nicht mit ansehen, ich halte es nicht aus. Warum bin ich so?
»Vaters Haus ist fertig«, erzählt sie.
»Ach ja? Verkauft er es?«
»Nein«, sagt sie. »Wir haben darüber geredet … Vater meint, du könntest eine Weile darin wohnen.«
»Wann hast du mit ihm geredet?«
»Ich habe ihn heute Morgen gefragt. Es ist nur für eine kurze Zeit. Ich kann nicht … im Augenblick passiert so viel, und …« Sie hält inne.
»Ich werde nicht mit Vater zusammenwohnen.«
»Nein, nein, er wird nicht dort wohnen. Ich glaube, er hat sich in einem Hotel einquartiert oder … na, jedenfalls hat er hier irgendwo etwas gefunden.«
»Was?«
»Eine Frau. Du kannst dort allein leben«, sagt Alison. »Juma und seine Tochter wohnen in der Dienstbotenwohnung.«
»Okay. Dann ist es in Ordnung«, willige ich ein. »Natürlich. Tatsächlich würde ich auch gern ein bisschen allein sein.«
Alison fährt mich zu Vaters Haus, nachdem ich gepackt habe. Auf dem Weg reden wir nicht viel. Das Haus liegt weiter vom Meer entfernt, im billigsten Teil von Msasani. Juma öffnet das Tor für uns.
»Samantha! Karibu sana «, sagt er lächelnd, dass ich seine braunen Zähne sehen kann. Seine Tochter wohnt bei ihm; sie kann meine Köchin sein und die Wäsche waschen, das müsste gehen. Juma führt uns durchs Haus. Es sieht gut aus, frisch gestrichen, neues Badezimmer, neue Elektroinstallationen, Klimaanlage. Wir verabschieden uns vor der Tür.
»Und wie soll ich hier wegkommen?«, will ich wissen.
Alison seufzt. »Vater hat gesagt, er besorgt dir ein Motorrad.«
»Cool.«
»Du bist jederzeit bei uns willkommen«, sagt sie, bevor sie fährt. »Das weißt du doch, oder?«
Geburtstag
Ich wohne in Vaters Haus, allein. Ich habe kein Transportmittel. Was soll ich machen? Ich trinke Konyagi und rauche, bis mir schlecht wird, höre meine Kassetten auf dem kleinen Recorder. Langweile mich. Noch immer ist ein Handwerker da, der die Außenmauer repariert, der Sockel ist an einigen Stellen verwittert. Ich stehe in der klimatisierten Luft des Hauses und schaue ihm zu: In der gleißenden Sonne haben sich
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