Exil
Aber du bist sehr jung, du musst dein eigenes Leben führen.«
»Du hast gesagt, du willst mit mir zusammen sein. Aber das war eine Lüge. Du hast das nur gesagt, um mich … zu ficken! Damit du mich ficken konntest!«
»Nein, Samantha. Du musst verstehen … du sollst doch ein gutes Leben haben. Wir hatten es gut zusammen. Es war lustig, aber …«
Ich unterbreche ihn: »Du hast mich ausgenutzt.«
»Ich habe dir das gegeben, was du wolltest«, erwidert Victor, und das stimmt, dennoch …
»Du hast mich einfach benutzt.«
»Was hast du dir denn vorgestellt?«
»Dass … du mich liebst. Das hast du gesagt.« Ich fange an zu weinen.
»Nach außen hin bist du ein harter Hund, Samantha. Aber innerlich zitterst du. Du weißt nicht, was du willst, Mädchen.«
»Das kannst du doch gar nicht beurteilen«, schluchze ich.
»Du bist eine dumme, kleine Mistgöre, die ein paar Männer haben wollte. Das hast du geschafft. Und jetzt hör auf zu winseln!«
»Aber dir geht es gut, wie?«, frage ich, wobei mir der Rotz aus der Nase läuft.
»Mein Sohn ist geboren«, antwortet er, zuckt die Achseln und lächelt kühl. Ich wische mir den Rotz von der Nase.
»Wieso … hast du all diese Dinge zu mir gesagt?«
»Schluss jetzt. Dein Vater hat Verdacht geschöpft, dass zwischen uns etwas läuft. Es war lustig, Samantha. Aber jetzt kommt meine Frau mit meinem Sohn, also ist es vorbei. Und es fängt auch nicht wieder an.«
Läufig
Ich packe eine Tasche. Victor bleibt im Bett. Ich gehe hinein und nehme die Motorradschlüssel aus seiner Hosentasche, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Fahre zu Alison. Sie sind im Yachtklub. Fahre dorthin. Sie sitzen unter einem Sonnenschirm an einem Tisch, umgeben von einer Menge anderer Familien. Brunch. Ich stelle mich ein wenig abseits und sehe zu. Vater, Mutter, Kind, Opa – ekelhaft. Gehe zu ihnen.
»Hey«, grüße ich und registriere Alisons warnenden Blick. Setze mich. Schaue Vater an. Er lehnt sich zurück und holt tief Luft, dann fängt er an zu reden, kommandierend, durchdringend: »Du läufst hier rum und wirfst dich mitsamt deiner Möse diesem Mann an den Hals – was denkst du dir eigentlich dabei?«
Was? Hat Mutter ihren Mund nicht halten können? Das kann sie doch nicht machen. Die Gespräche um uns verstummen, das Gefühl von Gesichtern, die sich uns zuwenden. Woher weiß er es? Ich wage nicht, zur Seite zu sehen.
»Wovon redest du?«
»Ich bin nicht blind«, erklärt Vater. »Ich habe dich gestern beobachtet, als er von seinem Kind erfuhr.«
»Jetzt beruhig dich doch, Douglas«, bittet Frans und wird ignoriert. Vater fährt fort: »Du bist nicht blöd, Samantha. Ich weiß, dass du denken kannst. Aber du bewegst dich auf gefährlichem Terrain, wo du nicht Fuß fassen kannst. Ich versteh das gut, als junger Mensch war ich genauso. Aber dann kam das Militär, und ich habe mich in den Griff gekriegt.«
Ich unterbreche ihn: »Und bist ein Mörder geworden.«
»Und habe mich in den Griff gekriegt«, wiederholt er. »Im Mittelpunkt die Disziplin. Die du auch haben solltest.«
»Und die du dazu benutzt hast, um ein Mörder zu werden.«
»Ich bin nicht anders als Victor Ray«, sagt er. »Denk daran.«
»Du hast ihn schließlich angeschleppt. Vielleicht hättest du diesen Mann nicht gerade direkt neben meinem Bett platzieren sollen.«
»Der Mann ist verheiratet.«
»Du schuldest Victor Geld. Und ich dachte, ich bin so eine Art Abschlag auf die Schulden«, sage ich. Vater schüttelt den Kopf.
»Bist du jetzt lange genug läufig gewesen?«, fragt er und erhebt sich – versucht, bedrohlich auszusehen. Davor muss man keine Angst haben.
»Von wem habe ich das wohl gelernt?«, frage ich zurück. Und dann … meine Wangen brennen von den Ohrfeigen, die rasch fallen, unerwartet – erst auf der linken Seite und dann mit der Rückhand auf der rechten. Frans springt auf, greift nach Vaters Schulter, will ihn fortziehen. Tränen stürzen mir aus den Augen. Vater hat sich verändert. Er stößt Frans so heftig beiseite, dass der über den Nachbartisch fliegt; die Leute schreien, Gläser und Teller zerbrechen, Kinder heulen. Frans landet auf den Bodenfliesen, übersät mit Eiern und Saft.
Alison springt auf und brüllt ihn an: »Wir reden erst wieder miteinander, wenn du dich bei allen hier entschuldigt hast!«
Frans hat sich aufgerappelt. Alison nimmt die Babytasche, Vater steht mit hängenden Schultern stumm daneben, die Arme hängen untätig herunter, die großen Händen
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