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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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wie tote Schaufeln.
    »Samantha«, sagt Alison, »komm mit.«
    Eine Stunde später sitze ich auf ihrer Veranda, als Vater zur Tür hereinkommt. Alison stillt im Wohnzimmer.
    »Na, habt ihr euch ein bisschen beruhigt?«, erkundigt er sich.
    »Was sagst du da?«, fragt Alison nach.
    »Das Mädchen muss lernen, sich zu beherrschen.«
    »Ich verstehe dich nicht richtig?«
    »Jetzt hör schon auf, Alison.«
    »Verschwinde!«, fordert sie ihn auf.
    »Jetzt hör mir mal …«, fängt er an. Aber Alison ist bereits aufgestanden und geht zum Telefon, sie wählt mit derselben Hand, in der sie den Hörer hält, mit der anderen trägt sie das Baby. Vater bleibt stehen. Dann dreht er sich um und geht. Alison legt den Hörer wieder auf.
    Auf der anderen Seite des Hauses wird sein Wagen angelassen. Alison hat die Hand am Telefon, sie steht mit dem Rücken zu mir, ihr Gesicht kann ich nicht sehen – sie hält das Baby vor ihr Gesicht. Vielleicht küsst sie das Kind. Ihr Rücken bebt.
    Aufenthaltserlaubnis
    Mir fehlen meine Kleider, meine Kassetten.
    »Soll ich dich rüberfahren?«, bietet Alison an.
    »Nein. Ich mach’s selbst.«
    »Soll ich wirklich nicht mitfahren, mit dem Wagen?«
    »Nein. Ich hab kein Problem damit. Vielleicht bin ich ein Idiot, aber ich bin sicher nicht das Arschloch.«
    Ich fahre hin. Auf Victors Motorrad. Er ist nicht da.
    »Er ist für ein paar Tage verreist«, teilt Juma mit einem Lächeln mit, er weiß nichts.
    »Was ist mit seiner Frau? Ist sie angekommen?«
    »Seine Frau?«, fragt Juma, auf seinem Gesicht breitet sich Leere aus. Die Nicht-Verstehen-Strategie: ein afrikanischer Klassiker.
    »Ja, seine Frau und sein neugeborenes Kind kommen bald hierher.«
    Juma weiß natürlich, dass ich mit Victor geschlafen habe. Er ist ein aufmerksamer alter Soldat.
    »Davon weiß ich nichts.«
    »Juma«, seufze ich. »Erzähl es mir.«
    »Diese Frau kommt erst, wenn das Kind ein bisschen größer ist«, sagt er verlegen.
    »Danke. Ich will nur ein paar Sachen holen.« Ich gehe ins Haus und packe den Rest meines Mists in eine Tasche. Als ich zu Alison zurückkomme, ist die Polizei da, zu zweit.
    »Was ist los?«
    »Sie suchen Vater«, sagt Alison.
    »Ich weiß nicht, wo er ist.«
    »Wir wollen deine Papiere sehen«, fordert der Polizist. Er hat bereits die Pässe von Alison und Frans in der Hand. Ich wühle in meiner Tasche, reiche dem Mann meinen Pass.
    »Ich habe Frans bereits angerufen«, sagt Alison zu mir.
    »Deine Aufenthaltserlaubnis ist abgelaufen«, erklärt mir der Polizist.
    »Sie fliegt nächste Woche«, behauptet Alison.
    »Du hättest bereits vor zwei Monaten ausreisen müssen«, sagt der Polizist. »Das ist ein großes Problem«, fügt er hinzu und legt Alisons Papiere beiseite – ihre Papiere sind in Ordnung, denn sie hat einen Mann, der hier sein darf. Wir tragen nicht einmal mehr denselben Nachnamen.
    »Und was machen wir jetzt?«, frage ich ihn.
    »Du bekommst eine Strafe, weil du dich illegal im Land aufhältst. Du musst innerhalb von vierundzwanzig Stunden am Flughafen sein und einen Flug außer Landes nehmen.«
    Ich wechsele ins Swahili: »Ich bin seit fünfzehn Jahre hier.« Dann halte ich inne, was soll ich noch sagen? Ich habe fast mein ganzes Leben hier verbracht, und nun darf ich nicht mehr in Tansania bleiben. Und der Mann ignoriert mich. Will nicht Swahili mit mir reden. Begreift mein Swahili als Beleidigung seines Englisch.
    »Du kommst mit aufs Revier«, erklärt er mit diesem toten, selbstgerechten Blick, den alle Afrikaner mit Befehlsgewalt zeigen, wenn sie einen in der Hand haben – direkt übernommen vom bürokratischen Beamtenapparat der englischen Kolonialmacht.
    Die Tür geht auf, und Frans kommt herein. Grüßt gehorsam die Polizisten. Schlägt vor, zum Büro der KLM zu fahren; er könnte mir sofort ein Ticket ausstellen. Ich könnte mitfahren. Und natürlich würde ich auch die Strafe bezahlen, verspricht Frans. Der Polizist will nicht, dass ich mitkomme. Viel lieber will er sich im Büro der KLM von Frans schmieren lassen, ohne dass andere sehen, wie viel Geld die Hände wechselt.
    Ich sitze im Zimmer und starre leer in die Luft, meine Hände zittern.
    »Hast du ihr ein Ticket ausgestellt?«, fragt Alison, als Frans zurückkommt.
    »Dein Vater hat ihr bereits ein Ticket gekauft.« Drei Sekunden Stille.
    »Wann?«, fragt Alison kühl.
    Frans zögert. »Gestern. Ja, ich weiß.« Frans senkt den Kopf. »Aber er hat mich gebeten, nichts zu sagen, bis er selbst mit dir geredet

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