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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Weile zusammen gewesen ist, und dann wurde sie schwanger, das war eine Panne, aber sie hat darauf bestanden, das Kind auszutragen. Sie sind nicht einmal verheiratet.«
    »Es war keine Panne«, widerspricht Alison. »Sie sind seit fünf Jahren verheiratet.«
    »Nein!« Was sagt sie da bloß?
    »Doch.«
    Ich friere.
    »Und Vater? Was glaubst du wohl, was er mit Victor und dir anstellt, wenn er erfährt, dass ihr miteinander vögelt? Was meinst du, lass mich deine erstbeste Vermutung hören.«
    »Aber … das weiß er doch genau.«
    »Er ist dein Vater, aber du kennst ihn immer noch nicht«, sagt Alison kopfschüttelnd.
    Ich antworte nicht. Vater hat mir doch Victor vorgestellt. Was glauben denn die Leute, was ich mit dem Mann hätte machen sollen? Ich starre Alison an. Vater weiß es nicht. Alison nickt.
    »Ganz genau«, sagt sie. »Und du sorgst besser dafür, dass er nicht herausfindest, was du so treibst.«
    »Aber …« Ich breche den Satz ab.
    »Geh jetzt und wasch dir dein Gesicht.«
    Ich komme aus der Schlafzimmertür, Christian lehnt an der Wand im Flur.
    »Ich stehe Schlange vorm Klo«, sagt er, ohne mich anzusehen. Er hat mehrere Minuten hier gestanden und alles mit angehört. Ich gehe zurück ins Schlafzimmer. Wische mir die Augen aus, höre, wie die Toilettentür aufgeht; jemand kommt heraus, Christian geht hinein. Ich hake Alison unter, wir gehen zusammen zurück in den Garten. Glücklicherweise wird es allmählich dunkel. Ich bin innerlich eiskalt. Setze mich und quatsche Bullshit mit Jarno, über alte Zeiten auf der Schule. Dann klingelt das Telefon. Frans nimmt ab. Ruft nach Victor. Frans kommt heraus.
    »Es ist Victors Schwägerin aus dem Krankenhaus. Er wird Vater.«
    »Das ist ja fantastisch!«, brüllt Victor ins Telefon. »Ruf an, sobald sich etwas tut!« Er kommt heraus, greift sich ein Bier. »Prost!«, ruft er über den Garten. »Ich werde Vater!« Alle heben ihre Gläser und Flaschen. Außer mir. Ich zünde mir eine Zigarette an. Merke, dass Vater mich beobachtet. Ich stehe auf. Gehe ein Stück in den Garten. Drehe der Gesellschaft den Rücken zu. Höre Schritte.
    »Bist du okay?« Es ist Christian.
    »Nein.«
    »Was willst du tun?«
    »Weiß nicht. Ist mir egal. Es wird sich zeigen. Was soll ich denn deiner Meinung nach sagen?«
    »Irgendetwas, das nicht vollkommen idiotisch ist.« So hat er noch nie mit mir geredet.
    »Alle halten mir Predigten. Alle. Und jetzt fängst du auch noch damit an. Dazu habe ich einfach keinen Bock.« Christian starrt mich nur an. »Tsk«, schnalze ich. Er sieht plötzlich traurig aus, zuckt die Achseln.
    »Das ist so beschissen abgefucked«, sagt er und geht tiefer in den dunklen Garten. Ich folge ihm. Ihm treten Tränen in die Augen. Ich lege meinen Arm um ihn, versuche ihn zu trösten.
    »Nein, lass das.« Er schubst mich weg. Weil er glaubt, dass ich es ohnehin nicht ernst meine. Zu viele Gefühle. Oder? Ich umarme ihn noch einmal. Wenn er hierbliebe und einen Ort zum Wohnen hätte, sich etwas zum Leben besorgen würde … ich könnte mit ihm nach Moshi gehen.
    »Hör auf«, sagt er und windet sich aus meinen Armen. »Du hast … du musst nur …« Er weist mit einer Armbewegung auf meinen Körper. »Das ist das Einzige, was du kannst.«
    Ich kann wirklich nicht anders. Ich vermisse Mick. Christian ist auch nur ein Kind. Wenn sein Vater nicht hier wäre, würde er auch nicht hier sein. Er ist nicht sein eigener Herr. Er ist nur … verloren. Ich will nicht nach England. Ich könnte mit Mick leben, hier. Er begreift. Ich habe ihn beleidigt, als ich ihn das letzte Mal sah. Wie könnte ich jetzt zu ihm kommen? Ich weiß nicht einmal, ob er mich will.
    Zittern
    Das Wohnzimmer ist dunkel. Ich warte auf Victor. Ich habe Kopfschmerzen vorgetäuscht und das Fest verlassen. Und jetzt will ich ihm die Meinung sagen. Ich werde ihm mitteilen, dass er ein Schwein ist, ein krankes Mistvieh, ein Idiot …
    Mit einem klebrigen Geschmack im Mund erwache ich auf dem Sofa, in der Küche rumort das Mädchen. Es ist hell. Ich stolpere zur Haustür, schaue hinaus. Das Motorrad steht dort. Gehe ins Bad und putze mir die Zähne. Gucke in Victors Zimmer. Er sieht aus wie immer. Ich stoße ihn an. Er schlägt die Augen auf.
    »Du hast nicht viel von einem Soldaten in dir«, sage ich. All dieses Geschwätz von einem Auge, das immer halb offen steht. »Ich hätte dich völlig problemlos umbringen können.« Er sagt nichts. »Du bist ein Schwein, Victor.«
    »Nein, Samantha. Ich mag dich.

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