Exil
Schafen.«
»Wo bist du gewesen?«, fragt Truddi noch einmal. Ich schiebe mich an ihr vorbei. Antworte nicht.
Der Finger
Montag werden alle Internatsschüler darüber informiert, dass in der Umgebung die Tollwut ausgebrochen ist. Ein paar Kilele-Mädchen wurden am Freitag auf dem Heimweg von der Fete angegriffen; eine von ihnen ist gebissen worden und in Behandlung. Bis auf weiteres werden die Internatsschüler außerhalb des Schulgeländes von einem Wachmann begleitet und haben sich in Gruppen zu bewegen, wenn sie abends zurück zu ihren Häusern gehen. Auch wenn wir uns tagsüber außerhalb des Schulgeländes aufhalten, soll das nur innerhalb einer Gruppe geschehen.
Baltazar knöpft meine Jeans auf und will einen Finger in mich stecken. Wir liegen am Abend unter den Eukalyptusbäumen am Ende des Sportplatzes. Ich schiebe seine Hand weg.
»Stopp. Nein, daraus wird nichts«, sage ich, als er mir die Hose ausziehen will.
Stefano redet nicht mehr über mich. Baltazar hat ihm gedroht. Ich rede mit überhaupt niemandem mehr richtig. Tazim flirtet mit Salomon. Salomon soll die Kirsche sprengen. So sieht Tazims hässlicher Plan aus.
Eines Nachmittags bin ich unterwegs, um Panos zu finden. Ich will ihn fragen, ob wir eine Zigarette rauchen gehen. Er ist auf dem Fußballplatz. Ich sehe seinen tonnenförmigen Körper schon von weitem. Panos ist stark. Bei den großen Jungs aus dem Kishari-Haus gibt es eine Tradition, die Jüngeren zu fangen, ihren Kopf ins Klo zu stecken und abzuziehen. Aziz hat sich den Arm gebrochen, als er es bei Panos versuchte.
Wir verschwinden in den Feldern hinter den Pferdeställen und stoßen auf Sharif, der seine Hand unter dem Rock der Finnin Katja hat. Und die Zunge tief in ihrem Hals.
»Entschuldigung«, murmele ich.
»Ich muss dir was zeigen.« Panos zieht mich zwischen den Maispflanzen bis zum Rand des Felds. Er zeigt darauf. Bhangi – sechs große Pflanzen.
»Wie hast du sie entdeckt?«
»Es sind meine. Ich habe sie gepflanzt.«
»Wie?«
»Man muss mit einem Stock nur ein bisschen die Erde auflockern und kurz vor der Regenzeit eine Handvoll Samen hineinwerfen, für den Rest sorgt die Natur. Es kommt von ganz allein aus dem Boden. Das einzige Problem ist die Trocknung.«
»Und wie machst du das?«
»Ich lege es auf den Dachboden über dem Zimmer meines Nachbarn, Sandeep, der mit der Katze.«
»Im Kijana?«
»Ja, eine Deckenplatte lässt sich anheben, man kann zwischen den Dachsparren herumkriechen. Es liegt über Sandeeps Bett.«
»Hast du keine Angst, erwischt zu werden?«
»Ich bin es leid, bei Emerson oder Alwyn Wucherpreise zu bezahlen. Außerdem wird im Zweifelsfall Sandeep geschnappt.« Emerson und Alwyn sind harte Konkurrenten auf dem bhangi -Markt der Schule.
Negerhaut
Stefano hat sich eine Lederjacke aus den fünfziger Jahren besorgt, mit einer Menge Reißverschlüsse. Abends trägt er sie ständig. Ich bin mit Baltazar zusammen. Wir stehen an den Eukalyptusbäumen am Ende des Volleyballfeldes. Stefano ist im Licht der Lampen, die am Giebel der Umkleideräume hängen, zu erkennen. Die Jungen müssen rechtzeitig wieder im Kijito-Haus sein.
»Der Idiot läuft in den Tropen mit ’ner Lederjacke rum.«
»Er ist ein Arschloch«, sagt Baltazar. Das ist richtig, aber …
Baltazar spricht ihn an, als Stefano vor uns auftaucht: »Du siehst in der Jacke aus wie ’ne Schwuchtel!« Stefano bleibt stehen. Sein Gesichtsausdruck ist in der Dunkelheit unmöglich zu erkennen.
»Weißt du, woraus diese Jacke hergestellt ist?«, fragt er.
»Schweinehaut, damit sie zu dir passt«, sage ich.
»Aus kleinen Negerkindern aus Angola!«
Baltazar zuckt zusammen, er hat mich losgelassen, entgleitet meinen Händen, rennt auf Stefano zu.
»Baltazar, nein!«, schreie ich. Stefano läuft zur Ecke des Platzes, auf den Weg zum Kishari und Kijito. Baltazar ist hinter ihm her. Baltazar ist schnell, langbeinig. Keiner der beiden sagt einen Ton, sie laufen. Ich folge ihnen. Nähere mich der Ecke des Spielfeldes. Im Licht der Gebäudelampen sehe ich sie, Baltazar ist ihm dicht auf den Fersen. Geräusche von Füßen, die wegrutschen. Stefano schreit. Ich laufe noch immer. Das Geräusch von Schlägen.
»Du dummes Schwein!«, schreit Baltazar. Die Dunkelheit bewegt sich.
»Baltazar, stopp!«, brülle ich. Er sitzt auf Stefano, der auf dem Bauch liegt. Baltazar hat Stefanos dickes schwarzes Haar gepackt und schlägt dessen Gesicht auf den von der Sonne ausgedörrten Boden. Dreht sich zu mir
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