Exil
und ohne Kraft. Der Bus steht in der Sonne, die Temperatur steigt, die Luft ist stickig-feucht. Fahr endlich, damit ein bisschen Wind hereinkommt. Es gibt sechsundsiebzig Sitzplätze. Ich zähle, um die Zeit totzuschlagen. Einhundertfünfundzwanzig Erwachsene plus Kinder und all das Gepäck, das nicht mehr aufs Dach passt. Ich habe nur eine Tasche dabei, die ich auf den Schoß nehmen kann.
Endlich fahren wir los, eine kleine Brise erreicht mich. Auf dem Weg aus der Stadt steigen weitere Passagiere zu, die sich in den Mittelgang drücken; gleichzeitig versucht der Schaffner durchzukommen, um das Geld einzusammeln. Ein junger Mann auf dem Mittelgang wird auf mich gedrückt, ich rieche den leicht süßlichen Gestank nach Scheiße. Ich schiebe ihn zurück. »Es reicht«, sage ich auf Swahili. Er entschuldigt sich.
»Macht nichts«, erwidere ich. Es ist schließlich nicht seine Schuld, dass er sich den Hintern nicht vernünftig waschen kann, Papier und Seife sind auf tansanischen Toiletten eine Seltenheit.
Zunächst fahren wir auf einem kleinen Stück ordentlichem Asphalt bis zur Road Junction bei Himo, dann beginnt die Hölle; die Schotterpiste ist durch Regengüsse und Schwerlastverkehr vollkommen hinüber.
Ich versuche, mich im Bus zu entspannen, an nichts zu denken. Vater ist auf Reisen und Mutter krank. Es wird nicht lustig.
Fliegende Pisse
Ein Mann kämpft sich durch den Mittelgang des Busses und quetscht sich zwei Reihen vor mir auf eine Bank, auf der bereits drei Männer sitzen. Dann ist er verschwunden. Hat er sich auf den Boden gesetzt? Ich richte mich auf. Kurz darauf taucht er mit einer Cola-Flasche in der Hand wieder auf und öffnet das Fenster. Oh, fuck. Ich strecke den Arm über meine beiden dösenden Banknachbarn und rempele einen von ihnen mit dem Ellenbogen an, weil das Fenster klemmt. Ich will es zuschieben und teile auch den Leuten hinter mir mit, dass sie ihre Fenster schließen sollen.
Ich entschuldige mich bei dem Mann, den ich angerempelt habe. Er schaut mich verblüfft an. Und dann klatscht der Urin aus der Cola-Flasche gegen die Fensterscheibe, die ich gerade geschlossen habe.
»Kannst du die Leute nicht vorwarnen, bevor du anfängst, deine Pisse aus dem Fenster zu kippen?«, rufe ich laut auf Swahili. Der Mann hat sich aufgerichtet und ordnet seine Klamotten. Wirft mir einen ausdruckslosen Blick zu, bevor er sich wieder nach hinten durchkämpft. Mehrere Frauen zischen ihm laut »tsk« hinterher. Wir haben Durst, während er seinen Urin auskippt.
Mein Nachbar bedankt sich, und wir fallen wieder in einen Halbschlaf, bis wir an einer Tankstelle in Mkomazi halten, ungefähr auf der Hälfte des Weges. Pinkelpause. Straßenverkäufer scharen sich um den Bus, um Snacks und Getränke zu verkaufen. Leute steigen mit lebenden Hühnern in den Bus; der Geruch wird intensiver, einige Passagiere haben getrockneten Fisch gekauft. Der Fischgeruch vermischt sich mit dem Grundgestank nach saurem Schweiß, Dreck, Apfelsinen, Scheiße und Babybrei. Wir fahren weiter, an den Usambara Mountains entlang. Am Straßenrand werden Säcke mit Holzkohle verkauft. Rauchsäulen steigen hoch oben am Berg auf; obwohl es illegal ist, wird dort Holzkohle aus frischgefällten Bäumen gebrannt. Ohne den Schatten der Bäume verdampft das Regenwasser zu schnell, und da dem Boden auch das Wurzelwerk fehlt, wird er bei kräftigen Regenschauern einfach weggespült.
Weiter auf der holprigen Straße; der Fahrer fährt ziemlich schnell und lenkt den Bus dabei um die tiefsten Schlaglöcher, um die Stoßdämpfer zu schonen. Durch Mazinde, Mombo, Maurui, Korogwe, Segera, Hale, Muheza und schließlich Ngomeni, der letzten richtigen Stadt vor Tanga. Als wir endlich die Busstation erreichen, wird es bereits dunkel. Ich nehme ein Taxi zum Baobab Hotel. Mutter schwitzt im Bett. In der Nacht träume ich, ich sei ertrunken. Ich wache im Dunklen auf, das Bett ist pitschnass. Es regnet, das Wasser ist durchs Dach gedrungen. Ich schiebe das Bett in die andere Ecke des Zimmers und lege mich aufs Sofa im Wohnzimmer, aber hier gibt es kein Moskitonetz. Ich werde bei lebendigem Leib aufgefressen. Den Tag verbringe ich mit Segeln, Schwimmen, Gin trinken und Zigaretten rauchen. Ich langweile mich Freitag, Samstag, Sonntag und nehme am Montagmorgen den Bus zurück nach Moshi. Wenn mich jemand fragt, erkläre ich, es wäre ein Superwochenende gewesen.
Erotik
Ich kann mich ohnmächtig werden lassen. Sitze in der Hocke und hyperventiliere. Svein und
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