Exil
Mädchen reden nicht mehr mit mir. Die Jungs sind sauer, weil die Mädchen nicht mit ihnen schlafen wollen und ich es doch offenbar mache – mit Stefano und Baltazar, wie sie glauben. Und die beiden sind wütend, dass ich nichts mehr mit ihnen zu tun haben will. Mädchen sind nichts für mich. Sie bauen sich eine Burg aus ausgesuchten Leuten und schotten sich gegen andere ab: wie mich. Sie kriechen so hoch wie möglich und schubsen die anderen von der Leiter, damit sie selbst oben bleiben können. Das kommt mir sehr gelegen.
Sam the man kann damit rechnen, im Gefängnis zu landen. Okay, damit komme ich zurecht. Aber das Leben könnte besser sein. Ich gebe mich mit den Leimschnüfflern und Panos ab.
Stefano kriegt Shakila herum; es liegt an der gebrochenen Nase, er tut ihr leid. Ich halte es kaum noch aus. Christian redet nicht mit mir. Und Baltazar schnappt sich ausgerechnet Angela. Panos kann nicht von Truddi lassen, obwohl er keinen Schritt weiterkommt. Und so endet es damit, dass Diana sich hinstellt und mitten auf dem Spielplatz mit Panos Speichel austauscht, weil sie sauer darüber ist, dass Truddi sie im Stich gelassen hat, um mit diesem neuen Flittchen aus Frankreich herumzuhängen, die alle irre interessant finden, weil sie in smarten Klamotten herumläuft und eine Menge Schminke benutzt.
Jarno und Christian kommen nach einer Woche Verweis in die Schule zurück. Sie waren in Morogoro und in Daressalaam saufen.
»Es war genial«, erklärt Christian, und Jarno lächelt und nickt langsam, dass sein langes Haar ihm in die Augen fällt. Und dann gehen sie, ohne mir etwas zu erzählen. Christian hat aufgehört, sich für mich zu interessieren. Warum?
Heimtransport
In einer Woche haben wir endlich die Hälfte des zweiten Semesters hinter uns. Ich liege im Bett, mit dem Gesicht zur Wand. Ich wünschte, Alison würde nicht nach Dar fahren, sondern hierher kommen. Wir haben von Freitag bis Montag ein verlängertes Wochenende, und Mutter hat mir am Telefon erklärt, sie sei krank. Jedenfalls ist es zu weit, um bis Tanga mit dem Bus zu fahren, es geht ja nur um ein paar Tage. Vater ist auf Geschäftsreise, kein Mensch weiß, wohin. Und in Arusha gibt es niemanden, bei dem ich ohne weiteres wohnen könnte. Wen soll ich fragen? Es ist peinlich. Ich kann mich nicht durchringen, in der Mountain Lodge anzurufen, denn Mick ist in Deutschland; warum sollten sie mich bei ihnen wohnen lassen? Es endet noch damit, dass ich zu mama Hussein gehe, um ihr mitzuteilen, dass ich nirgendwo unterkomme. Könnte ich bei ihr wohnen? Doch dann bringe ich es nicht fertig, sie zu fragen. Ich gehe den ganzen Weg wieder zurück.
Donnerstag fährt Minna mich zur Busstation.
»Mach’s gut!«, rufe ich und springe aus dem Auto in den Geruch von faulendem Abfall, der in der Sonne trocknet. Das übliche Gewimmel der Schwarzmarkthändler, Taxifahrer und Straßenverkäufer; schäbige Bauernfänger. Ja, ich bin weiß, aber alle sehen, dass ich mich auskenne und daher Zeitverschwendung bin; nur die Blödesten versuchen, mich übers Ohr zu hauen.
»Haut ab!«, sage ich zu ein paar Burschen, die mich zu einem bestimmten Bus bringen wollen, um eine mikroskopisch kleine Provision zu kassieren. Ich überprüfe alle Busse nach Tanga und finde einen fast vollen Bus, in dem es nur noch ein paar freie Plätze gibt – ich muss mich rasch entscheiden. Die Busse fahren, sobald der letzte Platz besetzt ist. Ich erwische den Gangplatz eines Doppelsitzes, auf dem bereits zwei Passagiere sitzen. Aber sie sind schlank, und es müssen drei Fahrgäste auf jeder Bank Platz finden, drei Schlanke sind also ideal. Es kann passieren, dass eine stattliche Mama mit einem Kleinkind auf dem Rücken sich als dritte Person auf die Bank quetscht, dann sitzen die beiden anderen wie in einem schweißigen Schraubstock: zwischen einem fleischigen Hintern und der Karosserie. Im Bus nach Arusha habe ich mit einem großen Kind auf dem Schoß und einem Zicklein zwischen den Füßen gesessen, das das Salz von meinen verschwitzten Füßen leckte. Ich habe Durst; ich habe so gut wie nichts getrunken, weil unterwegs nur einmal gehalten wird. Wir warten. Ein Straßenhändler schubst einen anderen beiseite, versucht, ihn zu unterbieten. Pappkartons mit Waren fliegen durch die Luft, Kekse, Saft und Nüsse landen auf dem Boden. Beide sind gerade mal Jungen. Sie prügeln sich auf afrikanische Art: totale Aggression, aber unkoordiniert. Die Arme schwingen herum, treffen aber eher zufällig
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