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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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werden.
    »Lass uns einen Gin Tonic trinken«, schlage ich vor.
    »Der ist für die Gäste an der Bar.«
    »Deshalb können wir uns doch einen kleinen Drink genehmigen.«
    »Jetzt?«, sagt Alison. »Ich will nicht, dass du wie deine Mutter endest.«
    »Sie ist auch deine Mutter.«
    »Ja. Und ich lege Wert darauf, dass ich das Gegenteil von ihr mache – dann werde ich ein gutes Leben haben.« Sie backt Pfannkuchen und lässt mich den Obstsalat zubereiten. Ich habe keine ruhige Minute.
    Vater kommt am späten Nachmittag. Lächelnd steigt er aus dem Land Rover. Wir gehen ihm entgegen.
    »Hallo, Mädels!«, ruft er. Keine Gefahr im Verzug, er weiß von nichts, bevor er nicht den Brief der Schule gelesen hat, aber den habe ich verbrannt. Außerdem denke ich, dass der Mann überhaupt keine Ahnung hat, wann ich Ferien habe und wann ich zur Schule gehen müsste.
    »Hattest du eine gute Fahrt?«, erkundigt sich Alison.
    »Ja, ausgezeichnet«, antwortet er entspannt. Ich kann gerade noch denken, dass …
    »Und ihr, geht’s euch gut?«, will er wissen. Alison antwortet: »Ja, alles gut …«
    KLATSCH ! Blutgeschmack im Mund, Schmerzen, Lichtblitze vor den Augen.
    »Du bist eine Idiotin«, zischt Vater leise, als er seine Hand zurückzieht. Ich blinzele rasch mit den Augen, um die Tränen zurückzuhalten.
    »Was soll denn das?«, ruft Alison.
    »Wegen Trinkens hinausgeschmissen. Das ist wirklich zu blöd.«
    »Wo hat sie das wohl gelernt?« Alison hebt die Augenbrauen.
    »Es sind nur vierzehn Tage«, sage ich verbissen und schlucke das Blut in meinem Mund.
    »Wie kannst du so blöd sein und dich erwischen lassen?«
    »Ich bin deine Tochter«, entgegne ich. »Und da du so klug bist, kann ich doch eigentlich gar nicht so blöd sein.«
    »Meine guten Gene sind offenbar alle ausgespült worden. Verdünnt von deiner versoffenen Mutter.«
    »Ihr hört jetzt auf der Stelle auf, sonst packe ich«, erklärt Alison.
    »Ich fahre an der Schule vorbei, um meine jüngste Tochter zu besuchen, und was muss ich hören? Tsk! « Vater spuckt auf die Erde, geht zum Wagen und lädt ab.
    Alison sagt nichts; wir zeigen keine Gefühle, wenn er in der Nähe ist. Ich schaue auf den Rücken des Mannes: »Kapierst du nicht, dass ich mich erwischen lassen wollte? Geht das nicht in deinen Schädel?«
    Ich gehe, als er antwortet.
    »Das wird ein Tag der Freude, wenn ich dich in ein Flugzeug nach England setze.«
    Guerilla-Taktik
    Am nächsten Morgen ist Vater verschwunden, und Alison geht mit zwei älteren englischen Ehepaaren auf Safari. Eigentlich wollten sie sich Dar und Bagamoyo ansehen, um dann nach Ruaha weiterzureisen, wo Panos’ älterer Bruder mit ihnen auf Safari fahren wird. Im Laufe des Tages kehrt Vater mit seiner Hure zurück, Halima. Sie steigen aus. Vater schaut sich um, und ich stelle fest, dass Halimas Bauch gewölbt ist, aber noch nicht vorsteht; noch kann man nicht sehen, dass ein Same gepflanzt ist. Ich sehe nur Vater an, würdige sie keines Blicks.
    »Ich will nicht, dass sie zusammen mit mir hier wohnt.«
    Er kommt auf mich zu, schaut mir direkt in die Augen.
    »Kein Wort mehr von dir«, sagt er. Ich spüre keine Furcht, denn ich weiß, dass er niemals zuschlägt, wenn man es erwartet. Der Schlag soll wie ein Schock sein – seine Kindererziehung ist von der Guerilla-Taktik inspiriert. Er trägt ihre Taschen und Koffer ins Wohnhaus. Jetzt kann er sie vögeln, wenn es ihm passt.
    Ich packe meine Sachen und schleppe sie in einen der Bungalows. Bleibe dem Haus fern. Hole mir in der Hotelküche etwas zu essen.
    Als es dunkel wird, kommt ein weiteres Auto. Ich gehe hinaus und gucke um die Ecke. Vater tritt auf die Veranda.
    »Victor!«, ruft er. »Willkommen!«
    »Du musst Mary begrüßen«, erwidert Victor. Neben ihm sitzt eine rundliche weiße Frau. Ich bekomme einen Kloß im Hals. Wer ist sie? Das kann er doch nicht machen. Aber wir sind ja auch nicht … jedenfalls nicht richtig. Aber wir teilen ein Geheimnis. Das darf nicht verraten werden. Ich fange an zu weinen. Ich liege auf dem Bett und überlege, ob Victor sich nachts aus dem Haus schleichen und an meine Tür klopfen wird. Es dauert lange, bis ich einschlafe.
    Am nächsten Morgen klopft es früh an der Tür.
    »Ja?«
    »Mach die Tür auf«, ruft Vater. Ich krieche aus dem Bett, öffne. Er packt meinen Kiefer mit seiner großen Hand, die so vernarbt ist, dass sie aussieht, als wäre sie in einen Fleischwolf geraten. Früher war ich mal stolz auf seine Hände, aber da wusste ich

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