Exil
beobachtet sie uns.
»Kannst du es mir beibringen?«
»Na klar.« Ich zeige ihm, wie man sich im Wasser gleiten lässt, mit ruhigen Flossenschlägen und geschlossenen Beinen, wie man sich die Luft einteilt. Bringe ihm bei, direkt unter der Wasseroberfläche auf dem Rücken zu schwimmen, so dass man die glitzernden Wellen von unten sehen kann – lebendiges blaues Silber im Sonnenschein.
»Das mit Mary hat nichts zu bedeuten«, sagt er, als wir mit unserem Fang zurückfahren.
»Mir ist sie egal.«
»Wieso?«
»Weil ich schärfer bin.«
»Da hast du Recht«, erwidert Victor. »Was hältst du eigentlich von der Frau, mit der dein Vater zusammen ist?«
»Ich finde das nicht in Ordnung.«
»Tja, verstehe ich. Aber du bist fast erwachsen, du kannst bald machen, was du willst. Vielleicht suchst du dir ja auch einen Mann, wie Alison.« Er zwinkert mir zu.
»Ich suche mit allem, was mir zur Verfügung steht. Aber die Ausbeute ist mager.«
Wir ziehen das Boot auf den Strand, bis ich es an einer Eisenschwelle vertäuen kann, die tief in den Sand getrieben wurde. Victor berührt mich mit seiner Hand auf dem Rücken, ganz unten. Ich drehe mich zu ihm um, lege die Arme um seinen Hals, öffne die Lippen. Wir küssen uns. Seine Hände beginnen, auf mir zu wandern.
»Stopp«, sage ich und lasse ihn los, drehe mich um und wackle davon.
»Ich freue mich, dich wiederzusehen!«, ruft er mir nach. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, also zeige ich ihm den Finger, ohne mich umzudrehen. Den Rest des Tages sorge ich dafür, außer Sichtweite zu sein.
Der Taschenrechner
Victor und Mary fahren bereits am nächsten Morgen. Alison ist nicht da, und im Hotel geht es drunter und drüber. Ich will nicht den Einpeitscher spielen. Halima macht sich wichtig. Sie weist das Personal an, das Haus in Ordnung zu bringen – keine Ahnung, was genau sie anordnet. Vielleicht will sie die Spuren meiner Mutter tilgen. Eine läufige Hündin, die jetzt Gott spielen darf. Sie benimmt sich bereits, als würde ihr das Ganze gehören, obwohl sie nur zwölf Jahre älter ist als ich und kaum lesen kann. Aber rechnen kann sie – sie hat es sich ausgerechnet. Ihr Taschenrechner sitzt zwischen den Beinen.
Ich bleibe in meinem Bungalow, hole mir etwas aus der Hotelküche, schwimme, schlafe, lese, rauche Zigaretten und ein bisschen bhangi . Antworte nicht, wenn die Hure mit mir spricht.
Es gibt nur wenige Gäste, und es tut weh, mit anzusehen, wie dem Personal alles vollkommen egal ist, wenn niemand sie zur Ordnung ruft. Und ich will nicht. Wenn seine Nutte Königin spielen will, muss sie sich auch um die Dinge kümmern. Als sie einen Job wollte, konnte sie durchaus arbeiten. Aber jetzt ist sie die Geliebte des Chefs und zu fein, um noch einen Finger zu rühren. Typisch afrikanische Attitüde.
Der Mann vom Empfang holt mich, Alison ist am Telefon. Sie ruft aus Dar an. Ich erkläre ihr die Situation. Noch immer dauert es mehr als zwei Wochen, bis ich wieder in die Schule muss, denn in dieser Woche sind Semesterhälfte-Ferien, und ich bin noch eine weitere Woche suspendiert. Zurzeit sind Mitschüler in den Ferien in Dar.
»Komm her«, sagt Alison. Ich packe. Rufe ein Taxi, fahre zur Busstation und nehme den ersten Bus, der in Richtung Süden fährt. Dreihundertfünfzig Kilometer Bummelei. Der Bus hat zwei Reifenpannen, und es dauert eine Ewigkeit, die Reifen zu wechseln. Nach vierzehn Stunden komme ich vollkommen gerädert in Dar an.
Weißer Klub
Wir wohnen bei Alisons Freundin Melinda, die einen Amerikaner geheiratet hat, der bei Philip Morris angestellt ist. Er arbeitet als Tabak-Aufkäufer in der Umgebung von Iringa, seine Firma will versuchen, Tansanias Tabakfabriken zu übernehmen, wenn das politische Klima von der Nationalisierung wieder in Richtung Privatisierung umschlägt. So wird es kommen, denn dem Land geht es wirtschaftlich immer schlechter. Afrikanischer Sozialismus – die Korruption läuft Amok.
Wir gehen in den Jacht-Klub. Ich langweile mich. Alles voller Weißer, die hier wie die Grafen und Barone leben. Überall laufen ihre Rotzgören herum. Die Mütter benehmen sich, als wären sie Göttinnen, nur weil sie so ein Kind ausgeschissen haben; und die Männer kriechen und bedienen sie hinten und vorn, während sie verstohlene Blicke auf meine Brüste und Beine werfen.
»Wollen wir segeln gehen?«, frage ich Melinda – sie müssen doch so ein Scheißboot haben, wenn sie Mitglied im Klub sind, das ist doch sicher notwendig.
»Nein, ich
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