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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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noch nicht, wozu er sie benutzte.
    »Was ist?«, frage ich, als er meinen Kopf dreht, um mir ins Gesicht zu sehen.
    »Mein Kompagnon Victor und sein Mädchen Mary wohnen ein paar Tage in dem großen Bungalow. Wenn sie irgendwelche Hilfe brauchen, dann wirst du ihnen helfen.«
    »Wobei?«
    »Wobei auch immer. Wenn sie fischen oder tauchen wollen, egal. Du benimmst dich, während ich weg bin. Wenn ich nicht wiederkomme, bis du zurück in die Schule musst, dann nimmst du den Bus oder Alison fährt dich, sollte sie zu Hause sein. Ich will von keinerlei Ärger hören, hast du verstanden?«
    »Ja.«
    »Was?«
    »Okay.«
    »Was sagst du?«
    »Okay, Vater. Ich werde mich anständig benehmen.«
    »Gut.« Er lässt mein Kinn los, wühlt in seiner Tasche und gibt mir ein Bündel Geldscheine, das von einem Gummiband zusammengehalten wird.
    »Mach’s gut, Schatz«, sagt er und umarmt mich hastig.
    »Gute Fahrt!«, rufe ich ihm nach, als er zu seinem Land Rover geht und fährt.
    Pub-Hure
    Ich gehe in die Hotelküche und mache mir Frühstück. Ich esse im Stehen. Zünde eine Zigarette an. Laufe zum Bootshaus, öffne das Vorhängeschloss, entferne die Kette und löse die Vertäuung des besten Speedboots. Es ist fast Ebbe, so dass ich das Boot schnell aus dem Schuppen staken kann.
    »Darf ich mitkommen?«, fragt eine Stimme. Ich drehe mich um. Victor. Ich schlucke, was soll ich sagen?
    »Glaubst du nicht, dass … dass du bei deiner Freundin bleiben solltest?«
    Ein breites Lächeln zeigt sich auf seinem Gesicht.
    »Sie ist nicht meine Freundin, Samantha. Sie ist nur ein Mädchen, das ich aus England kenne. Sie ist zu Besuch. Das hat nichts mit uns zu tun. Willst du tauchen?« Soll ich das Thema vertiefen? Wie denn?
    »Nur mit Schnorchel und Flossen. Und der Harpune.«
    »Darf ich mitkommen?«
    »Okay. Vielleicht will deine Bekannte auch mit?«
    »Ich glaube nicht«, erwidert Victor.
    »Ich frag sie«, sage ich und gehe zum Hotel, denn ich will nicht, dass er die Situation dominiert.
    »Okay«, lacht Victor – ein bisschen angestrengt, finde ich. Hoffe ich. Aber er bleibt beim Boot. Ich laufe die Treppe hinauf, die Alison hat reparieren lassen. Die Frau, die Mary heißt, sitzt vor dem Restaurant unter einem Sonnenschirm und trinkt Eistee. Bleich, untersetzt, rundlich, blondiertes Haar, lange pinkfarbene Fingernägel. Ein Flittchen aus einem Pub. Ich erinnere mich plötzlich, wie Mutter aussah, als ich noch ein Kind war. Ich stelle mich vor und frage, ob sie auch tauchen möchte.
    »Nein, das ist nichts für eine Dame«, erwidert sie, ein wenig geziert für meinen Geschmack. Dame, um Himmels willen – ein hilfloser blinder Passagier. Ich laufe zurück. Das Wasser ist beinahe völlig abgelaufen.
    Unter der Oberfläche
    »Na, dann los!«, rufe ich.
    »Ich schieb uns an«, sagt Victor. Er trägt Gummistiefel, damit die Korallen ihm nicht die Füße aufreißen. Zehn Meter weiter ist genügend Wasser unter dem Kiel, und ich kann den Außenbordmotor herunterklappen. Wir fahren weiter hinaus, und er fragt nach der Schule. Ich antworte so wenig wie möglich, schaue ihn mir an, wenn er wegsieht. Ein hübscher Mann, gut gebaut, schlank, braun, das goldblonde Haar auf seiner Brust ist gekräuselt und von der Sonne gebleicht. Er erzählt nicht, was er so treibt, und ich frage auch nicht danach. Ich werfe den kleinen Anker, gebe ihm eine Harpune, wir ziehen die Flossen an.
    »Es gibt hier Tintenfische«, sage ich. Er lächelt.
    »Ich werde tun, was ich kann, Samantha.« Wir springen über Bord, spucken in die Masken und verteilen den Speichel auf dem Glas, damit es nicht beschlägt, atmen an der Oberfläche noch einmal tief ein und tauchen. Ich bewege mich langsamer als er auf den Grund zu, verbrauche aber weniger Energie – Sauerstoff. Seine Bewegungen im Wasser sind zu hektisch, zu eckig, ohne Ruhe und Rhythmus. Man muss den Körper einsetzen wie ein Fisch. Hier gibt es eine Unmenge von Muränen, die in ihren Höhlen die Zähne zeigen – ihnen sollte man nicht zu nahe kommen. Zwischen ein paar Steinen entdecke ich einen Tintenfisch. Als ich mich langsam nähere, spüre ich eine Berührung an meinem Arm. Victor weist nach oben, er hat keine Luft mehr und steigt auf. Ich bleibe, erwische das Tier, und folge Victor mit dem an der Pfeilspitze aufgespießten Tintenfisch. Er wartet an der Wasseroberfläche.
    »Meine Güte, wie du das machst«, sagt er und schwimmt dicht an mich heran. Ein merkwürdiges Gefühl mit dieser Mary an Land. Vielleicht

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