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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Schnauze!«, rufe ich zurück. Christian schluckt. Sein Gesicht sieht so aus, wie ich mich fühle: gequält.
    »Ich lasse sie dann mal an«, sagt er und geht zum Motorrad. Aus irgendeinem Grund funktioniert der Kickstarter nicht richtig. Er schiebt die Maschine an und springt auf, dreht und fährt zurück zu mir. Ich lasse mir nichts anmerken. Jetzt ist er also auch tot. Wie Gretchen, als sie abreiste. Durch den Lärm des Motors können Truddi und Diana uns nicht hören. Christian nimmt seine Sonnenbrille ab und schaut mir einen kurzen Moment in die Augen, bevor er sie mir aufsetzt. Ich lächele. Ray-Ban. Wir umarmen uns.
    »Spürst du die Leere?«, frage ich ihn.
    »Ja«, sagt er mir ins Ohr. »Es ist nicht schön.«
    »Nein.«
    »Wir sehen uns wieder.«
    »Ja«, sage ich und bin froh, dass die Sonnenbrille meine Augen bedeckt. Er lässt mich los, gibt Gas. Seine Augen schimmern. Kein Lächeln. Dann fährt er, der Motor brüllt sich durch die Gangschaltung, der Staub explodiert am Hinterrad, er ist um die Ecke, auf der Schotterpiste, außer Sicht, fort. Ich schaue in Richtung des verschwindenden Geräuschs.
    »Na, Sam«, meldet sich Truddi. »Jetzt hast du bald gar keine Freunde mehr.«
    Ich gehe auf sie zu. Sie sieht ängstlich aus.
    »Ich habe keine Angst vor dir«, sagt sie. Ich gebe ihr eine Ohrfeige. Sie schreit.
    »Du bist doch total krank!«, kreischt Diana. Ja, bin ich. Ich gehe. Zur Schule. Trete in die Erde, dass der Staub aufspritzt und meine Beine rot färbt. Was jetzt? Dann höre ich ein Motorrad. Sicher nur Osbourne. Nein, es ist Christian. Er kommt zurück. Lässt die Maschine zu Boden fallen. Hat Tränen in den Augen. Mein Blick verschleiert sich. Er schlingt die Arme um mich. Seine Stimme hackt in meine Ohren.
    »Ich komme in einem Jahr zurück, in den Ferien. Das verspreche ich.«
    »Ich weiß nicht, ob ich dann noch hier bin.«
    »Wenn du in England bist, kann ich …«, beginnt er. Ich unterbreche ihn: »Ja, aber …« Mir versagt die Stimme. Er lässt mich los, bückt sich nach seinem Motorrad. Schiebt es an, springt auf und fährt davon.
    Per Anhalter
    Donnerstag teilt Panos mit, dass er am Wochenende zum Saufen nach Arusha fährt. Er kann bei den Strand-Brüdern übernachten. »Svein und Rune kommen auch mit, sie wollen in die Disko vom Hotel Saba-Saba.«
    »Okay«, nicke ich. Panos hat wie ich eine schriftliche Erlaubnis, dass wir die Schule am Wochenende verlassen dürfen. Die Norweger wollen den Bus nehmen. Panos schüttelt den Kopf.
    »Ich muss erst noch zwei Stunden nachsitzen.«
    »Weshalb?«
    »Weil ich mitten in einer Stunde abgehauen bin.«
    »Wann?«
    »Ach ja, davon kannst du nichts wissen. Du bist ja gar nicht erst aufgetaucht.«
    »Na ja, ich war krank.«
    »Krank? Ich glaub, ich spinne.«
    »Es gibt so einen Zeitpunkt im Monat.«
    »Diesen Zeitpunkt gibt’s bei dir jede Woche.«
    »Erwischen wir denn noch einen Bus?«
    »Ich fahre per Anhalter«, sagt Panos. »Ich habe keine Lust, drei Massai und eine Ziege auf dem Schoß zu haben, die mir auf die Schuhe scheißt.«
    Am Freitag warte ich vor der Bibliothek auf Panos, der zwei Stunden Regale putzen muss. Danach laufen wir zur Lema Road. Lachen uns an, als der erste Wagen sich nähert. Wir sind auf dem Weg. Er fährt vorbei.
    »Faschist!«, ruft Panos. Kurz darauf kommt ein Pick-up angescheppert. Wieder halten wir eine Hand mit den Handflächen nach unten und winken, so fährt man in Afrika per Anhalter. Er hält nicht, fährt aber so langsam, dass wir hinten draufspringen können. Der Mann guckt verwundert durchs Rückfenster seiner Fahrerkabine.
    »Vielen Dank!«, ruft Panos auf Swahili. Wir springen an der Kilimanjaro Road ab und laufen über den Golfplatz zur Arusha Road, wo wir schon bald von einem Parteibonzen in einem neuen Land Cruiser mit Fahrer und Aircondition mitgenommen werden. Die Unterhaltung dreht sich um die Schule und das Land. Panos erzählt von seinem griechischen Vater, einem ehemaligen Seemann, der in den Sechzigern in Dar an Land ging, weil er genug vom Meer hatte. Jetzt betreibt er eine riesige Tabakfarm bei Iringa. Die Mutter ist eine Mischung aus Engländerin und schwarzer Tansanierin; sie wurde hier geboren und arbeitet als Lehrerin. Panos erzählt, dass sein Vater nur schwer seine Gefühle ausdrücken kann. Wenn er seiner Frau sagen will, dass er sie liebt, legt er eine LP mit einem sentimentalen Liebeslied auf und fordert sie zum Tanz auf.
    »Und wenn er wütend ist?«, will der Funktionär

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