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Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Garten unten, Gäste, die die Wege entlang spazierten. Die Dunkelheit lichtete sich ein wenig, die Silhouetten der Bäume hinter den Scheiben wurden deutlicher.
    Ja, es klopfte, so leise, daß es eine Halluzination zu sein schien. Und ich hatte das abwegige Gefühl, Elliott Slater stünde dort draußen. Unmöglich. Er war unten, vermutlich in Fesseln. Und wie, um alles in der Welt, konnte ich annehmen, daß er, selbst wenn er könnte, in dieses Zimmer käme?
    Ich drückte auf den kleinen Knopf auf dem Nachttisch und die Tür öffnete sich. Ein Schlitz gelben Lichts aus dem Korridor, eine Gestalt, nackt, perfekt, wie sie alle perfekt sind, aber eine viel zu kleine Gestalt, um Elliott Slater zu sein. Es war Michael, der wiedergekommen war und im dunklen Zimmer nichts sehen konnte.
    »Lisa?«
    »Was gibt's, Mike?« Ich hätte nicht benommener sein können, wenn ich wirklich geschlafen, wirklich geträumt hätte. Die Vergangenheit war anscheinend auch eine Droge.
    »Sie brauchen dich im Büro, Lisa. Sie sagen, dein Telefon müsse wohl ausgeschaltet sein.«
    Unmöglich. Ich stelle das Telefon nie ab, und heute ist die Erste Nacht...
    Doch aus dem Augenwinkel sah ich das kleine, blinkende Lämpchen des Telefons. Die Klingel, was war mit der Klingel los? Und dann erinnerte ich mich, daß ich sie selbst abgestellt hatte.
    »Richard sagt, sie hätten unten ein Mädchen mit falschen Papieren«, erläuterte Michael. »Sie ist nicht einmal alt genug, um zum Abschlußball zu gehen.«
    »Wie, zum Teufel, kommt die hier rein?«
    »Lisa, wenn ich mit siebzehn von diesem Ort gewußt hätte, wäre ich mit dem Fallschirm hier abgesprungen.« Er stand schon vor dem offenen Schrank, bereit, mir beim Anziehen zu helfen.
    Ich blieb einen Augenblick sitzen; ich haßte es, daß sie mich brauchten. Aber es war besser als dieser Schlaf, der kein Schlaf, diese Träume, die keine Träume waren.
    »Michael, schau doch mal, ob es in der Bar einen guten Rotwein gibt«, sagte ich. »Anziehen kann ich mich allein.«

ELLIOTT
Besuch im Dunkel
     
    Es war dunkel.
    Ich stand wieder auf meinen Fußballen, den Kopf vornübergebeugt, die gefesselten Handgelenke an einem Haken, wie auf der Jacht. Schon die zweite Nacht. Angenehme Traume. In der Nähe waren andere Sklaven, und hin und wieder ging die Tür auf und ein Wärter kam vorbei und betupfte unsere wunden Beine und Hintern mit Öl. Wundervolles Gefühl. Weniger oft kam ein Wärter und bot uns Wasser an, an dem wir nur schlürfen durften.
    Den ganzen Nachmittag und Abend hatten wir die Toiletten geputzt - nicht die Bäder in den Bungalows und Suiten, sondern die öffentlichen Toiletten auf allen Etagen der Clubgebäude, die zu den vielen Gesellschaftsräumen und Schwimmbädern gehören: richtige Sklavenarbeit mit Schrubbern und Bürsten, die meiste Zeit auf Händen und Knien. Die stämmigen Aufseher, die unsere Arbeit überwachten, eine fröhliche Mannschaft unerbittlicher Prachtkerle, hatten mit ihren Stiefelspitzen und den unvermeidlichen Lederriemen einen Spitzentag.
    Etwas so göttlich Degradierendes kann man in keinem Puff zusammenbrauen - diese sublime Unausweichlichkeit jeder erdenklichen Demütigung und Gewalt. Es war ein achtstündiges Aufreizen bis hin zum absoluten Höhepunkt, aber sie sorgten dafür, daß wir diesen Höhepunkt niemals erreichten.
    Tausend Blicke auf Salons und Bars - die Schönen und Privilegierten gönnten uns keinerlei Aufmerksamkeit - trugen erfreulich zu dieser genußvollen Folter bei. Und die Aufseher ihrerseits verwöhnten sich, wenn sie Gelegenheit dazu hatten, mit kleinen, einseitigen Vergnügungen und Spielereien, nur um uns daran zu erinnern, was ein Höhepunkt ist.
    Aber das Geniale, der eigentliche Zweck bestand darin, einen mürbe zu machen. Es zermürbt die Nervosität, die Hemmungen, die Furcht, daß hinter jeder Ecke eine unmögliche Prüfung lauert.
    Ich fühlte, wie die Schranken aus meinem Bewußtsein schwanden.
    Und ich war ein Teil des Systems. Es wirkte. Ich war dankbar für die unbequeme Ruhezeit, und seltsamerweise akzeptierte ich, daß ich in sechs Stunden wieder in grellem Licht putzen würde, während die gutgekleideten Mitglieder kamen und gingen. Drei Tage lang! Und das eigentliche Training hatte noch nicht einmal angefangen.
    Und das eigentliche Training lautete: Fräulein Dunkelhaar-Dunkelaugen-Schöne-Hände mit dem Namen Lisa. Elliott, du hast das große Los gezogen.
    Laß das lieber. In meinem Bewußtsein verschwamm alles, sobald ich sie

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