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Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Ende der Insel das ferne Geräusch eines Flug-zeugs. Miss Teenage America fliegt schon zurück zu den Schein-heiligkeiten und Absurditäten der Jugend. Tut mir leid, und viel Glück.
    Aber ich bereute nichts, das war es nicht. Richard irrte sich zumindest in dieser Hinsicht. Es wäre eine Lüge zu behaupten, ich hatte nicht mit jenen ersten Liebhabern schon das gemacht, was ich wollte, und mich dann, indem ich mich gegen Jean-Paul wehrte, geweigert weiterzumachen.
    Etwas braute sich vielleicht in der Tat zusammen, etwas, das ich nicht verstand, aber ich hatte immer meine eigenen Entscheidungen getroffen.
    Mit Sicherheit hatte ich an jenem Abend, als Martin Halifax das erste Mal anrief, meine eigene Entscheidung getroffen.
    Natürlich hatte ich schon von ihm gehört, dem mysteriösen
    Besitzer dessen, was man »Das Haus« nannte. In einem Anflug ambivalenter Gefühle hatte ich beinahe den Hörer aufgelegt.
    »Nein, Lisa«, hatte er gesagt, »ich habe eine andere Möglich-keit für dich. Etwas, das dir im Moment vielleicht leichter fällt. Du könntest es mal von der anderen Seite her versuchen.«
    Amerikanische Stimme. Wie die älteren Priester in meiner Kindheit, jene, die nicht wie protestantische Pastoren klangen, sondern wie echte irisch-katholische Priester der alten Schule.
    »Die andere Seite?«
    »Aus den besten Sklaven werden die besten Herren«, sagte er. »Ich würde sehr gern mit dir reden, Lisa. Darüber, daß du, wie soll ich sagen, ein Teil des Hauses werden könntest. Wenn du aus irgendwelchen Gründen fürchtest hierherzukommen, könnten wir uns woanders treffen, wo immer du möchtest.«
    Die gemütliche Höhle in dem viktorianischen Gebäude, das man »Das Haus« nennt. Seltsam und amüsant wie meines Vaters Bibliothek, außer, daß es hier kostbarere Dinge gab, daß sie stärker von den Geräuschen der Außenwelt abgeschnitten war. Keines der katholischen Bücher in den Regalen. Kein Staub.
    Martin selbst. Diese wunderbare Stimme verband sich endlich mit dem freundlichsten Gesicht, das ich je gesehen hatte. Einfach, unaffektiert, erstaunlich direkt.
    »Ich hatte anfangs nur einen Verdacht, eine Vermutung«, sagte er. Seine Fingerspitzen berührten sich einen Moment, ehe er die Hände auf dem Tisch faltete. »Daß es dort draußen, gefangen im Netz des modernen Lebens, Hunderte von anderen Männern und Frauen wie mich gibt, vielleicht Tausende, die durch die Bars ziehen, durch die Straßen und die –ungeachtet der Gefahren und Krankheiten, der Lächerlichkeit und der Himmel weiß von was noch einen Ort suchen, wo sie diese kleinen Dramen inszenieren können, diese befriedigenden und beängstigenden kleinen Dramen, die wir im Geist wieder und wieder durchleben.«
    »Ja.« Ich glaube, ich mußte lächeln.
    »Ich meine, daran ist nichts Unrechtes, verstehst du Ich habe es nie für Unrecht gehalten. Nein. Jeder von uns hat im Inneren
    eine dunkle Kammer, wo die wahren Sehnsüchte blühen; das Entsetzliche daran ist, daß diese seltsamen Blüten nie das Licht des Verständnisses eines anderen erblicken. In dieser Kammer des Herzens ist es dunkel und einsam.«
    »Ja.« Ich lehnte mich, unerwartet entwaffnet und interessiert, ein wenig vor.
    »Ich wollte ein ganz außergewöhnliches Haus errichten«, sagte er, »so außergewöhnlich wie die Kammer in unserem Innern. Ein Haus, wo die Sehnsüchte ans Licht kommen dürfen. Ein Haus, das sauber, warm und sicher sein sollte.«
    Sind wir Masochisten allesamt Poeten? Sind wir alle Träumer und im Grunde unseres Herzens Dramatiker? In seinem Ausdruck lag etwas so Unschuldiges, so Selbstverständliches. Er hatte nicht die leiseste Spur von Unanständigkeit oder Scheinheiligkeit oder von schwarzem Humor an sich, wie die Scham sie so oft erzeugt.
    »Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, daß es mehr von unseresgleichen gibt, als ich hier je empfangen oder befriedigen kann, daß die Spielarten der Sehnsüchte weit vielfältiger sind, als ich je angenommen hatte.«
    Lächelnd hatte er innegehalten.
    »Ich brauche eine Frau, Lisa, eine junge Frau. Aber sie darf nicht eine bloße Angestellte sein. Es gibt keine herkömmlichen Angestellten im Haus. Sie muß wissen, was wir empfinden, um mit uns zu arbeiten. Du weißt, daß es nicht ein gewöhnliches Bordell ist, Lisa. Es ist ein Ort der Eleganz und manchmal der Schönheit. Du magst mich für verrückt halten, wenn ich das behaupte, aber es ist ein Ort der Liebe.«
    »Oh, ja.«
    »In der Liebe muß es Verständnis

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