Exit
wartete, bis sie sich von selbst beruhigte, was nicht länger als zwei Minuten dauerte.
»Kann ich jetzt gehen?« fragte sie. »Ich würde mir gern das Gesicht waschen.«
Ich sah keinen Grund, sie weiter zurückzuhalten, und sagte: »Sicher, gehen Sie nur.«
Sie setzte sich ihre Haube auf und rückte sie zurecht.
»Machen Sie mir bitte nicht noch mehr Schwierigkeiten, hö ren Sie? Das wichtigste ist doch jetzt, daß Cassie gesund wird. Nicht, daß…« Sie errötete und ging zur Tür.
»Sie meinen, nicht, daß ich viel dazu beitragen könnte?«
ergänzte ich.
»Ich meinte, nicht, daß es leicht wäre. Und wenn Sie es am Ende sind, der herausfindet, was mit ihr los ist, dann alle Achtung.«
»Was halten Sie davon, daß die Ärzte nichts finden können?«
Ihre Hand war auf dem Türknopf. »Es gibt vieles, was Ärzte nicht finden. Wenn die Patienten wüßten, wieviel in diesem Gewerbe Rätselraten ist… Mein Gott, ich fange schon wieder an, zu lästern. Es bringt mich noch in Teufels Küche.«
»Was macht Sie so sicher, daß es sich um etwas Organisches handelt?«
»Was sollte es sonst sein? Diese Leute sind keine Kindesmißhandler. Cindy ist eine der besten Mütter, die ich je gese hen habe, und Dr. Jones ist ein wirklicher Gentleman. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand herausfindet, was mit dem kleinen Mädchen los ist. Ich habe das schon oft erlebt. Die Ärzte können nichts finden und nennen es kurzerhand ›psychosomatisch‹. Und dann findet plötzlich jemand etwas, woran man vorher nicht gedacht hat, und, hurra, sie haben eine neue Krankheit entdeckt. Das nennen sie medizinischen Fortschritt.«
»Und wie würden Sie es nennen?«
Sie starrte mich an. »Genauso, natürlich.«
Sie ging hinaus und ließ mich mit meinen Gedanken allein. Ich hatte sie zum Sprechen gebracht, doch hatte ich auch etwas Neues erfahren?
18
Ich mußte hinaus aus dem Krankenhaus. Ich fuhr die Hillhurst Street hinauf zu einem Restaurant, das mir Milo gezeigt hatte, wo ich aber allein noch nie gewe sen war. Dort gab es traditionelle europäische Küche, signierte Fotos von Halbberühmtheiten, nikotinverfärbte Holztäfelung und Kellner ohne Arbeitserlaubnis.
Ein Schild im Eingang unterrichtete mich, daß die Küche erst in einer halben Stunde öffnen würde, aber in der Cocktailbar gab es Sandwiches.
Ich löste meine Krawatte, setzte mich und bestellte ein Bier und ein Clubsandwich. Dann ging ich zum Münztelefon an der Rückwand des Raumes und wählte Milos Nummer im Parker Center.
»Milo? Hallo. Hast du dir schon angehört, was ich dir aufs Band gesprochen habe? Denise Herbert ist nicht nur ermordet worden, sie war auch noch eine Kleptomanin.« Ich erzählte ihm meine Erpressungstheorie. »Was hältst du davon?«
»Hm… na ja.« Er räusperte sich. »Sicherlich eine gute Frage, Sir, aber diese Daten sind im Augenblick leider nicht verfügbar.«
»Habe ich eine schlechte Zeit erwischt?«
»Ja, Sir. Ich kümmere mich darum.« Nach einem Augenblick sagte er leise: »Die Großkopferten sind unterwegs. Scheint irgendeine Konferenz zu sein. In fünf Minuten mache ich Feierabend. Wie war's mit einem späten Mittagessen oder frühen Abendessen - sagen wir, in einer halben Stunde?«
»Ich habe schon ohne dich angefangen.«
»Ein schöner Freund bist du. Wo bist du denn?«
Ich sagte es ihm.
»Gut«, flüsterte er. »Bestell mir eine Erbsensuppe mit Eisbein und gefüllte Hühnerbrust. Mit extra viel Füllung, bitte.«
»Im Moment gibt's hier nur Sandwiches.«
»Bis ich da bin, werden sie richtiges Essen machen. Sag, es ist für mich.«
Ich ging zur Bar zurück, gab Milos Bestellung weiter und bat die Bedienung, mit meinem Sandwich zu warten, bis er kommen würde. Sie nickte, rief die Küche an und servierte mir mein Bier mit einer Schale Mandeln.
Vierzig Minuten später erschien Milo. Er winkte mir zu und ging an der Bar vorbei geradewegs ins Restaurant. Ich nahm mein Bier mit und folgte ihm.
Wir waren die ersten Gäste. Ein drahtiger alter Kellner erschien mit einem Teller voll Peperoni und gefüllter Oliven, einem Korb Weißbrot und einem englischen Bier für Milo.
Als der Kellner verschwunden war, lockerte Milo seinen Schlips und lehnte sich schnaufend in seinem Stuhl zurück.
»Woher weißt du von dem Mord an dem Mädchen?«
fragte er.
»Von ihren früheren Vermietern.« Ich faßte für ihn mein Gespräch mit Bobby und Ben zusammen.
»Schön«, sagte er, als ich fertig war. »Von Polizeiseite gibt es
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