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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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überhaupt nichts gelernt. Es wurde jedes Jahr schlimmer. Am Ende ging ich mit ihm zu einem von Ihrer Sorte, mit einer Privatpraxis am anderen Ende der Stadt. Und glauben Sie nicht, daß ich mir das leisten konnte.«
    Sie spuckte einen Namen aus, der mir nichts sagte.
    »Es war eine große Praxis«, sagte sie, »sechzig Dollar die Stunde, was damals eine Menge Geld war. Das ist es immer noch, besonders wenn es total für die Katz ist. Pfusch war alles, was ich dafür bekam, zwei Jahre lang.«
    »Wie sind Sie an ihn geraten?«
    »Oh, er hatte die besten Empfehlungen. Die Adresse hatte ich von einem der Ärzte in Foothill. Am Anfang dachte ich auch, er sei mächtig auf Draht. Die ersten zwei Wochen sprach er nur mit Ronald, ohne mir irgendwas zu berichten. Dann lud er mich zu einem Gespräch und erzählte mir, daß Ronalds Probleme ernst seien und daß sie damit zu tun hätten, wie er aufgewachsen war. Er sagte, es würde einige Zeit dauern, aber er würde ihm helfen können, wenn. Und dann eine lange Liste von Wenns. Wenn ich keinerlei Druck auf Ronald ausüben würde. Wenn ich ihn als Person respektierte. Wenn ich Vertraulichkeit wahrte über Dinge, die ihn betrafen. Der Junge müßte Selbstverantwortung entwickeln, und solange ich die Verantwortung für ihn übernähme, könne mein Sohn niemals aus dem Schlamassel herauskommen. - Was die Vertrauens basis anging, so galt das offenbar nicht für das, was ich ihm über Ronald erzählte, denn nach zwei Jahren Behandlung hatte ich einen Jungen vor mir, der mich haßte wegen der Ideen, die dieser Mann ihm in den Kopf gesetzt hatte. Es verging noch einige Zeit, bis ich herausfand, daß er Ronald gegenüber alles wiederholt hatte, was ich ihm erzählt hatte. Dieser Pfuscher hat alles noch schlimmer gemacht.«
    »Haben Sie sich bei ihm beschwert?«
    »Wieso? Es war doch meine eigene Dummheit gewesen, ihm zu vertrauen. Mein Gott, war ich dumm! Wollen Sie wissen, wie dumm ich war? Ein Jahr nachdem Ronald … ein Jahr danach ging ich zu einem zweiten Psychologen. Meine Vorgesetzte dachte, es würde mir guttun, aber bezahlen wollte sie natürlich nicht dafür. Nicht, daß ich meine Arbeit nicht ordentlich erledigt hätte. Aber ich konnte nicht schlafen, hatte keinen Appetit und war depressiv. Also gab sie mir eine Adresse. Ich dachte, sie als Frau könnte verstehen, was ich fühlte. Sie schickte mich zu einem Kerl in Beverly Hills. Hundertzwanzig die Stunde. Das nennt man Inflation, nicht wahr? Aber was ich dafür bekam, war auch nicht mehr als vorher, obwohl der Halunke am Anfang noch erfahrener schien als der erste. Ruhig, höflich, ein wahrer Gentleman. Er schien zu verstehen. Ich fühlte mich besser, wenn ich mit ihm geredet hatte. Ich konnte wieder arbeiten. Und dann …«
    Sie stockte. Sie blickte an die Wand, dann auf das Taschentuch in ihrer Hand.
    »Dieser zweite Psychiater hat Sie mißhandelt, nicht wahr?«
    »Mißhandelt?« Das Wort schien sie zu belustigen. »Sie meinen, so wie man ein Kind mißhandelt?«
    »Ja. Ist es nicht fast so, wenn ein Psychologe das Vertrauen eines Patienten bricht?«
    »Er hat mein Vertrauen nicht gebrochen, er hat es zertrümmert. Aber das ist alles Vergangenheit. Ich habe daraus gelernt. Es hat mich stärker gemacht. Jetzt passe ich auf.«
    »Und Sie haben sich auch damals nicht beschwert?«
    »Das hätte mir gerade noch gefehlt - sein Wort gegen meines. Wem hätten Sie wohl geglaubt? Er hätte seine Rechtsanwälte auf mich gehetzt und in meinem Leben gewühlt. Wahrscheinlich hätte er Experten gefunden, die zeigten, was für eine Lügnerin, was für eine Rabenmutter ich war. Er hätte Ronalds Tod wieder aufgebracht, und ich wollte doch nur, daß mein Junge in Frieden ruhen kann, obwohl - obwohl er mich niemals "in Ruhe ließ.« Sie preßte die Handflächen zusammen. Ihre Stimme war schrill und überreizt.
    »Er hat mich nie in Frieden gelassen, bis zum Ende nicht! Er hat nie aufgehört mit den Vorwürfen, den Ideen, die der Quacksalber ihm eingetrichtert hatte. Ich war die Böse, ich hatte mich nie um ihn gekümmert, ich ließ ihn nicht lernen und paßte nicht auf, daß er seine Hausaufgaben machte, ich war es gewesen, die sich nicht darum gekümmert hatte, ob er zum Schule ging oder nicht! Wegen mir ist er… unter schlechten Einfluß geraten. Ich war die Schuldige, zu hundert Prozent, hundertfünf Prozent…«
    Sie lachte hysterisch, dann brach sie zusammen, schluchzte hemmungslos. Ich wußte, daß ich sie nicht trösten konnte, und

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