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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ich.
    »Nichts Besonderes. Hab ich alles schon erlebt.«
    Ich legte die Akte weg und blieb einfach vor ihr stehen.
    Schließlich mußte sie aufschauen. Ihre Augen blitzten.
    »Epilepsie bei Kindern ist also nichts Neues für Sie.«
    »Für mich gibt es nichts Neues mehr. Ich war früher in der Onkologie. Babys mit Hirntumor, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Nur zu gut. Da war ich vor Jahren für die psychologische Unterstützung zuständig.«
    »Aha.« Sie schrieb weiter an ihrem Formular.
    »Wenigstens scheint Cassie keinen Tumor zu haben.« Keine Reaktion.
    »Dr. Eves will sie wohl bald entlassen. Ich werde sie dann einmal zu Hause besuchen.«
    Ihr Kugelschreiber raste über das Papier.
    »Waren Sie nicht auch schon bei ihr zu Hause?«
    Sie antwortete nicht. Ich wiederholte die Frage.
    »Und wenn schon, hätten Sie daran was auszusetzen?«
    »Nein, ich wollte nur -«
    »Ja, ja, Sie wollten nur ein bißchen mit mir plaudern, nicht wahr?« Sie legte den Kugelschreiber hin und schob ihren Stuhl zurück. Sie lächelte abfällig. »Oder was wollen Sie? Wollen Sie vielleicht wissen, ob ich bei ihr war und etwas mit ihr angestellt habe?«
    Sie schaute mir gerade in die Augen, immer noch das überhebliche Lächeln auf den Lippen.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Das ist es doch, was Leute wie Sie denken.«
    »Meinen Sie Psychologen, wenn Sie ›Leute wie Sie‹ sagen?«
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zischte:
    »Spielchen, immer nur Spielchen, das ist es doch, was ihr die ganze Zeit treibt.«
    »Sie scheinen eine Menge über uns zu wissen.«
    Meine Bemerkung schien sie zu treffen. Sie rieb sich die Augen und verschmierte ihr Mascara. Ihre Knöchel waren grau, als sie mich wieder fixierte, doch sie war sich dessen nicht bewußt. Ich erwiderte ihren Blick, ohne auszuweichen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie es schaffte, das überhebliche Lächeln wiederzufinden.
    »Sonst noch etwas, Sir?« Sie zupfte Haarnadeln aus ihrer Frisur und befestigte ihre Haube damit.
    »Haben Sie den Jones' Ihre Einstellung zu Psychologen mitgeteilt?« fragte ich.
    »Solche Dinge behalte ich für mich. Ich bin schließlich kein Amateur.«
    »Haben Sie ihnen erzählt, daß jemand einen Verdacht hat?«
    »Natürlich nicht. Ich sagte doch, ich bin kein Amateur!«
    »Klar, Sie sind ein Profi; Sie mögen nur diese Psychologen nicht, diese Quacksalber, die alles versprechen und nichts erreichen.«
    Sie warf den Kopf zurück. »Sie kennen mich überhaupt nicht«, fauchte sie. »Sie wissen nichts von mir.«
    »Richtig«, log ich, »und das ist nicht gut für Cassie.«
    »Lächerlich!«
    »Ihr Benehmen behindert die Behandlung, Vicki. Aber das sollten wir besser nicht hier auf dem Gang diskutieren.« Ich wies auf das Schwesternzimmer hinter dem Stationsschalter.
    Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Wozu?«
    »Wir müssen uns unterhalten.«
    »Sie haben kein Recht, mich dazu aufzufordern.«
    »Doch, das habe ich. Und wenn ich nicht soviel Geduld hätte, wären Sie schon längst von diesem Fall suspendiert. Dr. Eves bewundert zwar Ihre fachlichen Qualitäten, aber Ihr Benehmen geht ihr auf die Nerven. - Hier. Sie können sie gern anrufen.« Ich hielt ihr den Telefonhörer hin.
    Sie hielt den Atem an, betastete ihre Haube, leckte ihre Lippen und winselte fast: »Was wollen Sie von mir?«
    »Nicht hier, Vicki. Im Schwesternzimmer, bitte.«
    Sie wollte protestieren, doch sie brachte kein Wort heraus. Ihre Lippen zitterten.
    »Warum hören wir nicht auf damit? Es tut mir leid, reicht das nicht?«
    Ihre Augen waren voller Angst. Ich dachte an ihren letzten Blick auf ihren Sohn und fühlte mich schäbig.
    »Nein«, erwiderte ich.
    »Ich werde Ihnen nicht mehr im Wege stehen«, sagte sie, »ich verspreche es - ich meine es wirklich ernst diesmal. Ich weiß, ich hätte Sie nicht anschnauzen sollen. Aber verstehen Sie doch, es war nur, weil ich mir solche Sorgen um die Kleine mache, genau wie Sie. Es tut mir leid. Ich verspreche Ihnen, es wird nie mehr vorkommen.«
    »Bitte, Vicki.« Ich zeigte auf das Schwesternzimmer.
    Sie kam mit geballten Fäusten auf mich zu, bereit, zuzuschlagen. Dann ließ sie die Arme sinken, drehte sich abrupt um und ging in ihr Zimmer.
    Ich schloß die Tür hinter uns und setzte mich auf eine Couch.
    »Sie haben kein Recht dazu«, sagte sie schwach, »was wollen Sie von mir?«
    »Ehrlichkeit.«
    »Worüber?«
    »Über all die Feindseligkeit, die ich von Ihnen zu spüren bekomme.«
    »Ich habe doch gesagt, es tut

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