Exit
schließlich zu essen.
Er aß schnell, mechanisch, ohne Vergnügen. Ich wußte, wieviel Essen ihm bedeutete, und fühlte mich schuldig, ihm seine Mahlzeit verdorben zu haben.
»Bestechend«, sagte er, »aber vor der ganzen Geschichte steht doch immer noch ein großes Wenn, nicht wahr?«
»Sicher. Laß uns jetzt damit aufhören.«
Er legte seine Gabel hin. »Der wesentliche Haken an der Sache ist folgendes: Wenn Großpapa wußte, daß sein Sohn und/oder seine Schwiegertochter für den Tod des kleinen Chad verantwortlich waren, und es ihm so wichtig war, das zu vertuschen, daß er erst Erpressungsgeld zahlte und dann einen Killer heuerte, warum hat er dann zugelassen, daß Cassie in dasselbe Krankenhaus gebracht wird?«
»Vielleicht war Cassie schon dort in Behandlung, bevor die Erpressung anfing.«
»Selbst dann hätte er noch dafür sorgen können, daß Cas sie woandershin geschickt wird. Warum das Risiko eingehen, sie denselben Ärzten zu übergeben, die Chad behandelt hatten und die genau wie die Erpresser zwei und zwei zusammenzählen könnten? Niemand hätte der Familie einen Vorwurf gemacht, schließlich war Cassies Behandlung nicht gerade erfolgreich. Und selbst wenn die Eltern Kindsmörder sind und der Großvater sie deckt und sogar so weit geht, Erpresser aus dem Weg zu räumen, würde er nicht trotzdem versuchen, einzuschreiten, sobald ihm klar wird, daß auch Cassie vergiftet wird?«
»Vielleicht ist er nicht besser als die jungen Eltern.«
»Du meinst, wir haben es mit einer Familie von Psychopathen zu tun?«
»Was meinst du denn, wie solche Dinge anfangen? Chuck Jones könnte seinen Sohn mißhandelt haben, und Chip setzt fort, was er von ihm erfahren hat. Die Art, wie der Alte das Krankenhaus zugrunde richtet, läßt ihn nicht gerade in einem milden Licht erscheinen.«
»Nein, Alex. Chuck mag ein gnadenloser Geschäftsmann sein, aber zusehen, wie die Enkeltochter gequält wird, bis sie epileptische Anfälle bekommt, ist doch etwas ganz anderes, oder?«
»Sicher«, gab ich zu, »wahrscheinlich geht meine Phantasie mit mir durch. Aber würdest du jetzt bitte essen? Es macht mich nervös, wie du auf deinem Teller herumstocherst.«
Er nahm seine Gabel in die Hand, und wir begannen, uns gegenseitig vorzumachen, wie gut es uns schmeckte.
»Hünengart«, sagte er. »Mit dem Namen gibt es bestimmt nicht viele in unseren Akten. Und wie war noch der Vorname?«
»Presley.«
Er lächelte. »Noch besser. Ich habe übrigens Ashmore und Stephanie überprüft. Er ist sauber, bis auf ein paar Strafzettel, die er nicht mehr bezahlen konnte, bevor es ihn erwischte. Sie hat nichts mehr verbrochen seit einer Verurteilung wegen Trunkenheit am Steuer. Das ist drei Jahre her. Sie hatte einen Zusammenstoß verschuldet, keine Verletzten. Da es ihr erstes Delikt war, hat sie Bewährung bekommen. Wahrscheinlich hat man sie auch zu den Anonymen Alkoholikern oder zu einer anderen Therapie geschickt.«
»Deswegen hat sie sich vielleicht so verändert.«
»Was meinst du?«
»Na ja, sie hat abgenommen, sie trägt jetzt Make-up, was sie früher nie getan hat, und sie legt Wert auf modische Kleidung, getreu dem Image der berufstätigen, erfolgreichen Frau. Außerdem hat sie eine teure Kaffeemaschine in ihrem Büro, die echten Cappuccino produziert.«
»Das würde ins Bild passen«, sagte er. »Kaffee ist beliebt bei trockenen Alkoholikern. Ist Teil des Entzugs.«
Milo mußte es wissen. Er hatte selbst gelegentlich mit der Flasche geliebäugelt.
»Meinst du, sie säuft immer noch?« fragte ich.
»Wenn ja, würde das eine Rolle spielen? Gibt es irgendeinen Zusammenhang zwischen Alkoholismus und Münchhausen?«
»Nein. Aber was immer das Problem sein mag, Alkohol würde es verschlimmern. Und wenn sie den typischen Münchhausen-Hintergrund hätte - Mißhandlung, Inzest, Krankheit -, dann wäre es nur zu verständlich, daß sie zur Flasche greift.«
»Für mich heißt das nur, daß es etwas gibt in ihrem Leben, das sie am liebsten vergessen würde. Da geht es ihr nicht anders als den meisten von uns.«
19
Auf dem Weg nach draußen sagte Milo: »Ich werde versuchen, alles zu sammeln, was es über Denise Herbert gibt. Was wirst du als nächstes unternehmen?«
»Ich werde meinen Hausbesuch machen. Vielleicht gewinne ich neue Einsichten, wenn ich die Jones' in ihrer natürlichen Umgebung erlebe.«
»Und du kannst dich bei ihnen umsehen - möglicherweise entdeckst du etwas Verdächtiges.«
»Dasselbe hat Stephanie
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