Exodus der Xabong
Kultur der Heiden verstehen.
Aber Ken-Drabon war der Ansicht, dass man seine Feinde kennen musste, wenn man sie wirksam bekämpfen wollte. Eine Position, von der ihn niemand abbringen konnte.
Vor Anfeindungen durch die Tugendwächter, die zwar streng im Glauben und engstirnig in ihren Ansichten, aber im Grunde von niederer theologischer Bildung waren, hatte jemand im Rang Ken-Drabons nichts zu fürchten. Dazu war er zu weit in der Priesterhierarchie der Kridan aufgestiegen. Aber das bedeutete nicht, dass er unangreifbar gewesen wäre.
Auch wenn sich die Angehörigen der Priesterschaft nach außen hin sehr geschlossen gaben, um ihre Interessen als festen Block gegenüber dem Militär der Tanjaj-Glaubenskrieger und ihrem gerade in Kriegszeiten sehr einflussreichen Oberbefehlshaber, dem Mar-Tanjaj, durchzusetzen.
Das hieß aber keineswegs, dass in ihrem inneren Kreis nicht ebenso brutale Machtkämpfe getobt hätten wie unter den hohen Offiziersrängen der Tanjaj, die auch nicht unbedingt zimperlich bei der Wahl ihrer Mittel waren, wenn es darum ging einen Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen.
Ken-Drabon war zunächst entsetzt gewesen, als er erkennen musste, wie es in den inneren Zirkeln der Macht zuging. Er bildete sich ein, diesen inneren Kreis nur aufgrund seiner Fähigkeiten erreicht zu haben. Schließlich hatte er bedeutende theologische Forschungen vorzulegen und sich als ein wichtiger Interpret der Überlieferungen erwiesen.
Und war es nicht gerade das, was das Heilige Imperium benötigte, wie sonst nichts – geistige und geistliche Führung? Schließlich war das Heilige Imperium nicht einfach nur ein Staat, der möglichst effektiv organisiert zu sein und den Schutz seiner Bürger zu gewährleisten hatte. Das Imperium war nur Mittel zum Zweck. Es sollte helfen, die Göttliche Ordnung zu errichten.
Ken-Drabon wandte den Kopf zur Seite und verschob ein wenig die Schnabelhälften gegeneinander, was ein deutlich hörbares Geräusch verursachte. Heiden und Nicht-Schnabelträgern war die nonverbale Bedeutungsebene dieser Geräusche so gut wie vollkommen unzugänglich. Das Schaben entgeht ihnen, die Poesie des schrillen Geräuschs ist ein hörbares Bild für die Schärfe der Gedanken – doch wie kann der gläubige Schnabelträger so etwas von einem Heiden erwarten? , erinnerte sich Ken-Drabon an eine Stelle aus den Schriften des Ersten Raisa.
Der in diesen Schriften zusammengestellte Kanon bildete die Grundlage für die kridanische Religion.
Alles, was den in diesen Schriften vertretenen theologischen Auffassungen widersprach, widersprach damit auch dem Glauben.
Als einer der wenigen Eingeweihten, die Zugang zu den Speichern des Geistigen Giftes hatten, wie man die Datenspeicher mit den abweichenden Überlieferungen nannte, wusste Ken-Drabon, dass einstmals keineswegs nur diese eine Version des Glaubens, wie sie in den Schriften des Ersten Raisa dargelegt war, vorherrschend gewesen war.
Neben dieser Hauptströmung hatte es offenbar in alter Zeit Nebenströmungen gegeben, die durchaus nicht nur Randerscheinungen gewesen waren.
Beispielsweise wurde in einem dieser verbotenen Bücher die Behauptung aufgestellt, dass die Bestimmung, Gottes Volk zu sein, keineswegs eine Sache war, mit der ein Kridan aus dem Ei geschlüpft war. Dieser ketzerischen Auffassung nach, war es einzig und allein eine Frage des Glaubens und der Hinwendung an den Glauben, die darüber entschied, ob jemand auserwählt war oder nicht.
Der namenlos gebliebene Autor jener Zeilen ging sogar so weit, dass selbstverständlich auch Nicht-Schnabelträger oder sogar Säugetier-Abkömmlinge sich als würdig erweisen konnten, die Göttliche Ordnung zu errichten.
Ken-Drabon hatte es nicht gewundert, dass die Priesterschaft diese abweichenden Quellen unter Verschluss hielt. In den falschen Krallen waren diese Texte ein Sprengsatz für den Bestand des Imperiums. Ken-Drabons Oberer innerhalb der Priesterschaft hatten ihn oft genug darauf hingewiesen und ihm klar zu machen versucht, wie gefährlich der Umgang mit diesem Glaubensgift sein konnte. Regelmäßig hatte er sich nicht nur besonderen Reinigungsritualen zu unterziehen, die ihn innerlich festigen und in der Treue zu Gott ergeben halten sollten, sondern er wurde auch von theologisch besonders geschulten Oberen innerhalb der Priesterschaft einer speziellen Befragung unterzogen.
Bisher allerdings waren all diese Befragungen und Überprüfungen ohne Befund gewesen.
Ja, man verwendete in der
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