Exodus der Xabong
Kridan-Sprache dieselben Begriffe für bösartige Krebsgeschwulste und die geistige und geistliche Wirkung dessen, womit Ken-Drabon sich so stark beschäftigt hatte, dass er förmlich besessen von dem Gedanken war, seine Art vor seiner Ansicht nach fatalen Fehlentwicklungen zu schützen.
Doch nun hatte die Mission in dem System, das von den Menschen Tau Ceti genannt wurde, ihn aus den Kellern unter den Hallen von Matlanor fortgerissen.
Vielleicht war es Absicht, dies zu tun , dachte er. Sie wollten mich von dem trennen, was mein Schnabel picken will, aber vielleicht tun sie mir dadurch sogar einen Gefallen …
Der Kridan schloss für einen Moment die Augen.
Die Grenze zwischen Glauben und Unglauben, Frevel und geheiligter Handlung festzulegen, das war seine Aufgabe. Und derentwegen hatte man ihn hier her geholt.
Der Stationskommandant hieß Oohn-Rhaat. Er nahm Haltung an, als der Priester des inneren Kreises ihm entgegen trat.
»Es ist mir eine Ehre, dass du unseren Vorposten besuchst, Priester«, sagte Oohn-Rhaat.
Ken-Drabon antwortete nur mit einem weiteren Geräusch, das er durch das Gegeneinanderschaben seiner Schnabelhälften erzeugte.
»Ich denke, du hast die Tugendwächter auf der Station inzwischen befragt, Priester.«
»Das habe ich.«
»So nehme ich an, dass sie keinen Makel an der Glaubensfestigkeit unserer Tanjaj gefunden haben, obwohl sie sich im Dauereinsatz befinden.«
»Nein, ich habe in der Tat keinen Makel gefunden«, gestand Ken-Drabon.
»Die Reinigungsrituale wurden immer nach Angaben in den Schriften des Ersten Raisa durchgeführt.«
»Ich weiß.«
»Wir wissen um die Wichtigkeit der geistigen Reinigung, bevor man sich in den heiligen Kampf begibt. Kein Tanjaj zweifelt daran oder hält diese Dinge für sinnlos …«
Der beherrschende Eindruck, den Ken-Drabon von seinem Gegenüber hatte, ließ sich mit dem Begriff Furcht zusammenfassen. Aber das war durchaus die Absicht der Priesterschaft. Ihre Mitglieder – und vor allem jene des inneren Kreises – sollten so auftreten, dass sie tatsächlich Furcht verbreiteten, wobei zwischen Furcht und Ehrfurcht ein fließender Übergang bestand.
Ken-Drabon hatte schon bei seinem Eintreten gespürt, dass unter den Tanjaj der Stationszentrale hektische Betriebsamkeit herrschte.
Irgendetwas Außerplanmäßiges musste geschehen sein. Schon ein Blick auf die Positionsübersicht zeigte dies. Dort waren blinkende Objekte zu sehen. Die Darstellung bemühte sich allerdings gar nicht erst um dreidimensionale Plastizität. Kridan hatten aufgrund ihrer weit auseinander stehenden Augen ohnehin Schwierigkeiten mit dem räumlichen Sehen und waren es gewöhnt, die Welt als etwas plattes, zweidimensionales zu betrachten.
Ken-Drabon vollführte eine ruckartige Kopfbewegung. Er hütete sich allerdings davor, vom Kommandanten eine Erklärung zu verlangen. Das wäre einfach unter der Würde des Priesters gewesen.
Tatsächlich herrschte ein mehr oder minder ausbalanciertes Machtgleichgewicht zwischen den Tanjaj und der Priesterschaft.
Ausbalanciert wurde dieses Gleichgewicht idealerweise durch die Person eines charismatischen Raisa. Diese Eigenschaft mochte der amtierende Stellvertreter Gottes gewiss einmal besessen haben, wovon Aufzeichnungen aller Art ein beredtes Zeugnis ablegten.
Derzeit war das Oberhaupt aller Gläubigen des heiligen Imperiums aber alles andere als ein charismatischer Anführer, der in der Lage gewesen wäre, die Gläubigen mitzureißen.
Ein hinfälliger Greis saß auf dem Thron von Matlanor und wurde bei den gewaltigen Prozessionen religiöser Feste auf den Schultern seiner Leibwächter in einer Sänfte durch die von Gläubigen überfluteten Straßen der Hauptstadt getragen.
Ein Greis, der allein durch die Tatsache, dass er noch nicht tot war, dafür sorgte, dass der heilige Krieg fortgesetzt werden konnte.
Ein lebender Leichnam, der zur Spielfigur der Priesterschaft geworden war. Denn in ihrer Hand befand er sich schließlich. Und die Priesterschaft war es auch, die in der Regel von einem Interregnum des Friedens deutlicher profitierte als der Mar-Tanjaj und seine Glaubenskrieger. Schon jetzt, während sich der Krieg mit jedem der letzten Atemzüge, die der Raisa aushauchte, einem vorläufigen Ende näherte, wuchs die Macht der Priesterschaft und gerieten die Tanjaj und ihr Oberbefehlshaber in die Defensive – wenn schon nicht auf dem Schlachtfeld, so doch, was den innenpolitischen Einfluss betraf.
Das alles glich einer
Weitere Kostenlose Bücher